Buch-Rezension: Im Zweifel gegen das Kind

Die Aktivistin und selbsternannte Kinderschutzexpertin Sonja Howard veröffentlichte zusammen mit der Journalistin Jessica Reitzig im September 2023 ihr Buch „Im Zweifel gegen das Kind“. Dem Titel nach sollte die Situation von Trennungskindern bei Jugendämtern, Familiengerichten und anderen Institutionen in den Fokus gestellt werden. Das Buch wurde rund um acht Erlebnisberichte geschrieben, welche weitgehend „alte Bekannte“ sind. Fälle, die bereits vorher mit nachgewiesenen Falschdarstellungen und „alternativen Wahrnehmungen“ von Howard und ihrem Umfeld promotet wurden. Es werden die Sichtweisen einer kleinen, aber radikalen Gruppe von Müttern, welchen jedes Mittel recht ist, um den Vater aus dem Leben der Kinder zu verdrängen, wiedergegeben.


Warum diese Buch-Rezension

Die Art und Weise, wie dieses Buch entstanden ist, die Vorgehensweisen, die dort erkennbar werden und die Herausforderungen, vor der Fachkräfte immer wieder in hochstrittigen Verfahren stehen, sind anhand dieses Buches und auch der Faktenchecks hervorragend nachzuvollziehen.

Die Darstellung der einen Seite weicht von der, der anderen ab. Es werden dramatische, auch emotionale Bilder erzeugt, die kaum einen Widerspruch dulden. Wer würde einem Opfer noch Misstrauen oder gar Widerspruch entgegenbringen? Dass Elternteile mit „alternativen Wahrheiten“ leben, ist nur schwer vorstellbar, ebenso wenig, dass teils auch bewusst und taktisch gelogen wird. Sonja Howard ist ein Musterbeispiel, wie versucht wird, Fachkräfte und auch weitere Personen mit falschen Angaben zu täuschen.

Um Kinder zu schützen und hochstrittige Fälle zu lösen, braucht es objektive Fakten. Ohne diese läuft die Entwicklung solcher Fälle „Im Zweifel gegen das Kind“.


Und so sind auch die im Buch aufgeführten „Experten“ meist diejenigen, welche an eben jenen Falschdarstellungen schon in der Vergangenheit mitgewirkt haben. Seit Herbst 2021 wird eine intensive Lobby-Kampagne u.a. rund um das in Zusammenarbeit mit drei Alleinerziehendenverbänden entstandene, hochstrittige Hammer-Werk, geführt.

Howard legt im Buch vor allem die Sicht ihres Unterstützer-Netzwerks dar und lässt dies ausführlich zu Wort kommen. Reitzig soll wohl das journalistische Deckmäntelchen liefern. Eigene Impulse ihrerseits sind über Howards bekannte Thesen hinaus nicht erkennbar. Ihre Funktion ist es, teils bizarr wirkenden Interviews mit Howard zu führen, damit diese nicht immer nur selbst vortragen muss.

Der emotional wirksame Bezug auf das Wohlergehen von Kindern, den das Buch versucht, zu suggerieren, entpuppt sich jedoch schnell als „trojanisches Pferd“. Beim Leser soll so ein Bild von Kinderschutz suggeriert werden, dem sich wohl kaum jemand verschließen kann.

Ein Buch, das sich für Eltern einsetzt, die ihre Kinder schädigen, entfremden, instrumentalisieren, dabei kriminelle Energie zeigen und sich häufig strafbar machen würde sich nicht gut verkaufen. Genau ein solches Buch aber ist „Im Zweifel gegen das Kind“ geworden.

Im Zweifel gegen das Kind - diesen Anspruch erfüllt das gleichnamige Buch.
Im Zweifel gegen das Kind – diesen Anspruch erfüllt das gleichnamige Buch. Foto: pixabay

Zielrichtungen?

Howard nutzt in ihrem Buch (bis auf zwei Alibis) jede noch so abstruse Begründungskonstellation, damit Kinder ausschließlich bei ihrer Mutter aufwachsen und die Väter aus deren Leben gedrängt werden.

Eltern-Kind-Entfremdung versucht sie, als unwissenschaftlich darzustellen. Staatliche Interventionen zum Schutz von Kindern sollen verhindert werden, wenn die Mutter dies nicht wünscht. Sie versucht händeringend herzuleiten, dass für Kinder der zweite Elternteil nicht wichtig sei und es ein großes Feindbild gebe: das Wechselmodell.

Feindbild Wechselmodell

So würden unter Bezug auf Hammer erfolgreich gelebte Betreuungsmodelle aufgelöst, welche dann gar in Wechselmodellen enden würden (S. 8). Fraglich nur, aus wessen Sicht diese erfolgreich waren. Oder dass der Koalitionsvertrag 2021 der Ampel-Regierung, der festhalte, „dass das Wechselmodell zum Standard im Trennungsfall werden soll“ (S. 13).

Howard verdeutlicht an dem Punkt auch, welchen Einfluss sie und ihr Netzwerk aus ihrer Sicht und „alternativen Wahrnehmung“ auf die Politik haben: „Allerdings hatten die Koalitionäre wohl nicht mit der Entrüstung der Experten gerechnet, die danach über sie hereinbrach. Die Einbringung der Reform? Bis auf Weiteres vertagt!“.

Der Koalitionsvertrag sieht keine Einführung des Wechselmodells als Standard im Trennungsfall vor. Worüber sollen sich dann welche Experten empört haben? Aber dies ist nur eine von vielen Falschdarstellungen, welche für Howard in ihrer „alternativen Wahrnehmung“ vermutlich Realität ist.

Zu Howards Sicht passt auch ihr Vorschlag auf S. 350, den Begriff „Wechselmodell“ als „Unwort des Jahres 2023“ vorzuschlagen. Woher es aus ihrer Sicht komme? „Das Wechselmodell ist entstanden, um das Gerechtigkeitsbedürfnis der Erwachsenen zu befriedigen“ (S.61).

Verteufelt und abgelehnt wird eine Betreuungsform, welche Kindern umfangreichen Kontakt mit beiden Eltern sichert. Eine Betreuungsform, welche sich seit Jahrzehnten in unzähligen wissenschaftlichen Studien dem Residenzmodell und dem Alleinerziehen gegenüber als vorteilhaft für das Wohlergehen und die psychische Entwicklung von Kindern, selbst in strittigen Konstellationen, erwiesen hat.

Da Howard in ihren Fällen aber fast ausschließlich dafür kämpft, dass die Kinder nur Kontakt zur Mutter haben und ihre Väter ablehnen sollen, ist in ihrer Welt das Wechselmodell natürlich untragbar. Howard stellt sich also im Zweifel gegen das Kind, was ihren Buchtitel unter dieser Betrachtungsweise fatal authentisch macht.

Feindbild Eltern-Kind-Entfremdung

Ihr zweites, fast noch größeres Feindbild ist Eltern-Kind-Entfremdung. Aus ihrer Sicht eine unwissenschaftliche Ideologie, die von einem Pädophilen (oder Pädophilie unterstützenden) Amerikaner erfunden wurde, um Müttern zu schaden. Die immer wieder gegen Richard Gardner erhobenen Vorwürfe wurden bereits mehrfach als falsch entkräftet (siehe u.a. https://hochstrittig.org/verleumdungskampagnen-gegen-eltern-kind-entfremdung/). Howard hindert dies aber nicht, sie immer wieder falsch zu erheben. In Ihrer Welt der „alternativen Wahrheiten“ spielen Fakten keine Rolle, wie im Buch mehrfach festzustellen ist.

Gardner ist verstorben und kann sich nicht mehr wehren. Seine Erkenntnisse zu Eltern-Kind-Entfremdung wurden aber in den letzten 40 Jahren in rund 1.300 wissenschaftlichen Arbeiten bestätigt. Der Leser erfährt hiervon nichts, da es nicht in Howards Weltbild passt. Der Leser erfährt auch nicht, dass Eltern-Kind-Entfremdung keine Geschlechtskomponente hat. Es bezieht sich auf Verhaltensweisen – geschlechtsneutral.

Ihr Widerstand gegen Eltern-Kind-Entfremdung erschließt sich dem interessierten Leser dafür aber schnell. Denn in den meisten im Buch dargestellten Fällen wird Eltern-Kind-Entfremdung betrieben und der psychische Missbrauch der Kinder aufgezeigt. Statt dem Bild der liebevollen, fürsorglichen, schützenden Mutter, welche Opfer eines defizitären Systems sein soll, zeigt sich in Wahrheit das Bild einer Täterin. Ein Bild, das dem Leser um jeden Preis vorenthalten werden soll.

Dazu gehört auch, dass Howard die unzulässige Gleichsetzung von Bindungsintoleranz und Eltern-Kind-Entfremdung betreibt. Beides unterschiedliche Umstände, die nicht in einen Topf gehören.

Motivation?

Während man von Reitzig nicht viel erfährt, gewährt Howard einen tiefen Einblick in ihre eigene Vergangenheit und Kindheit mit Gewalt, sexuellem Missbrauch, Flucht und einem Aufwachsen in einem defizitären Umfeld. Sie selbst erfuhr nur unter großen Mühen eine rechtliche Anerkennung und Verurteilung des Täters. Dies mag ihre Motivation erklären.

Man gewinnt jedoch den Eindruck, dass hier Traumata noch nicht aufgearbeitet wurden und sie anderen helfen will, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Nur scheint ihr dabei wie vielen selbst betroffenen die notwendige Distanz und Differenzierung zu fehlen.

Alternative Realitäten und Wahrnehmungen oder Lügen?

Wenn sie ihn ihren Darstellungen immer wieder zu „alternativen Realitäten“ oder Falschdarstellungen greift, schadet sie damit nicht nur den tatsächlichen Opfern. Sie lässt damit auch Zweifel an den Schilderungen ihrer eigenen Vergangenheit aufkommen. Man bekommt den Eindruck, „alternative Wahrheiten“ scheinen Teil ihrer Persönlichkeit zu sein. Wahrheiten, die sie selbst dann noch verteidigen muss, wenn Fakten diese eindeutig als falsch offenbaren. Was therapeutisch sicherlich ein hochspannendes Thema ist, ist für den Leser vor allem eines: verstörend.

Und so zeigt sich auch im Buch häufig etwas, was Howard an anderen Stellen immer wieder kritisiert: eine Täter-Opfer-Umkehr. Es wird nicht nur den Leser täuscht, sondern auch den wahren Opfern Glaubwürdigkeit genommen.

„Alle in diesem Buch beschriebenen Fälle entsprechen den Tatsachen“?

Diese Zusicherung geben die Autorinnen auf S. 14. Da einige der Fälle bekannt und überprüfbar sind, lässt sich dieser so vertrauen heischende Anspruch mehrfach widerlegen.


Der Fall Anette W.

„Die Helikopter-Mutter“ ist die Schilderung des Falles Anette W. Auf Seite 96 heißt es: „Und heute, am 29. Juli, ist das Kamerateam eines öffentlich rechtlichen Fernsehsenders bei ihr zu Gast. Die Redakteurin hat Wind davon bekommen, dass die Polizei wieder unterwegs ist, um Maja abzuholen, und eine Kamera im Wohnzimmer installiert.

„Wind davon bekommen“ hat die Redakteurin des MDR (vermutlich Christiane Cichy, die immer wieder auch über diesen Fall berichtete) über die Mutter. Den Besuch der Polizeibeamten hat die Mutter selbst organisiert. Sie meldete sich um 19:30 Uhr bei der Polizei und bat die Beamten zu der Wohnung. Dort wollte sie angeblich das Kind herausgeben.

Dem Leser des Buches wird das verschwiegen. Im Gerichtsbeschluss des OLG Celle (10 WF 135/22) ist es enthalten. Es war eine provozierte Falle, um angebliche Polizeigewalt vor laufenden Fernsehkameras festzuhalten. Das Kind wurde dabei rücksichtslos instrumentalisiert und unter Druck gesetzt.

Die mediale Macht der Lüge

Im Buch wird es so dargestellt (S. 100): „Die Redakteurin verfasst nach diesem Abend einen engagierten Fernsehbeitrag über Marie und ihre Kinder. Die aufschlussreichen Aufnahmen, auf denen Beamte im Auftrag des Familiengerichts ein Kind bedrängen, erzielen eine hohe Einschaltquote. Aber trotzdem kommt es zu keiner richterlichen Entscheidung, die sich endlich am Wohl von Maja und Linja orientieren würde.“

Hohe Einschaltquote, manipulative Berichterstattung, um eine Gerichtsentscheidung nach den Vorstellungen der Mutter zu erzwingen. Selbst dann, wenn dies eine Kindeswohlgefährdung darstellt. Nach diesem Muster werden viele der durch Howard unterstützten Fälle geführt. Dank der ausführlichen Protokollierung der Gerichte sind die auch im Buch aufgenommenen Falschdarstellungen jedoch nachweisbar.

Howard beschreibt ihren Lesern die Situation dann allerdings völlig anders (S. 129 / 130): „In Maries Fall wurde der letzte Einsatz ja auch wirklich abgebrochen, weil absolut allen Anwesenden klar war, dass das Irrsinn ist, was das Gericht beschlossen hat“. Wieder eine dieser „alternativen Wahrheiten“. Es war jedoch nicht der Irrsinn des gerichtlichen Beschlusses, der die Beamten zum Abbruch des Einsatzes führte, sondern die Situation, die die Mutter vorsätzlich unter Inkaufnahme der Belastungen des Kindes geschaffen hatte. Eine Situation „Im Zweifel gegen das Kind“, welche ausschließlich den Interessen der Mutter und ihres Unterstützernetzwerkes dient, welche öffentlich ein falsches Opferbild konstruieren wollen.

Unzutreffend wird auch die Verhängung der Ordnungshaft gegen die Mutter erklärt: „Sie muss ins Gefängnis, weil sie sich für die Rechte und den Schutz ihrer Kinder einsetzt!“ Tatsächlich soll sie für 30 Tage in Ordnungshaft, weil sie gegen die gerichtliche Umgangsregelung verstößt, ihr Kind psychisch gefährdet und es entführt hat. Oder um Howards Worte aufzugreifen: Weil die Mutter den Schutz und die Rechte ihres Kindes verletzt.

Es darf nur eine Wahrnehmung geben

Howard nimmt für sich aber eine unumstößliche Deutungshoheit in Anspruch. Der Fall sei „glasklar“ und es gebe „keine zweite Meinung“. Der selbständig denkende Leser wird bei solchen Formulierungen die Stirn runzeln. Nach Kenntnis der Sachlage wird er zu einer eigenen Einschätzung kommen. So wie es Gutachter, Gerichte und Jugendamt ebenfalls getan haben. Denn diese „zweite Meinung“ wurde sehr deutlich artikuliert und mit Fakten unterlagt. Diese dringen in Howards „alternativer Wahrnehmung“ jedoch nicht durch.

Dem Fall und seinen zahllosen Falschdarstellungen wurde auf hochstrittig.org bereits ein umfangreicher Faktencheck Anette W. gewidmet. Viele der dort nachgewiesenen Falschdarstellungen finden sich auch im Buch wieder.


Der Fall Augsburg

Auch der Fall Die Wochenbett-Mutter ist hinreichend bekannt, ging durch die Medien. Die Aktivistin Carola Wilcke, welche auch im Buch von Howard und Reitzig mehrfach zu Wort kommt, hatte dort eine Mutter mit ihrem Säugling in ihrem Haus versteckt gehalten. Wilcke wird als „Leiterin einer Eltern-Kind-Einrichtung“ (S. 166) bezeichnet. Sowohl der angebliche Träger als auch das örtliche Jugendamt haben bereits im Interview mit der Sächsischen Zeitung vom 07.11.2022 bestätigt, dass ihnen keine „Eltern-Kind-Einrichtung“ dort bekannt sei und auch nie genehmigt wurde.

Aufgrund von Ereignissen vor der Geburt und im Zusammenhang mit einem bereits älteren Kind hatte das Gericht entschieden, dass das Kind beim Vater leben sollte. Die Mutter erschien nach der Geburt nicht zum Gerichtstermin am 05.10.2022. Sie sei im Wochenbett und erhole sich von der Geburt. Weder Geburtstermin noch Aufenthalt wurden mitgeteilt.

Unmittelbar nach dem Gerichtstermin konnte sie aber mehrere hundert Kilometer zu Carola Wilcke reisen. Im Buch wird auf S. 186/187 kritisiert, dass die Verfahrensbeiständin aus Sicht von Howard nicht das Wort für das Kind ergreife. Unbeantwortet bleibt jedoch die Frage, wie der Verfahrensbeistand dies tun soll. Ihm wurde wie jedem anderen Verfahrensbeteiligten durch die Mutter der Kontakt zum Kind und eine Kenntnis seiner Lebensumstände verwehrt.

Strafverfolgung – anders als erwartet

Carola Wilcke erhob öffentlich schwere Vorwürfe gegen die Polizei, veröffentlichte diese auch bei Facebook. Eine Strafanzeige stellte sie jedoch erst Monate später. Dafür liegt gegen Wilcke eine Anzeige wegen Strafvereitelung vor. Gegen sie wird wegen Verdachts der Verleumdung und Beleidigung ermittelt. „Die Anzeige wurde gestellt, „weil sie den geschädigten Polizeibeamten und seine Familie öffentlich im Internet, wider besseres Wissen mit einer unwahren Tatsache in einem Beitrag auf ihrer Facebook-Seite darstellte und ihn zudem auf diesem Wege öffentlich beleidigte“, wie ein Polizeisprecher in der Sächsischen Zeitung vom 29.11.2022 mitteilte. Anfang März 2023 stellte Wilcke ihr Haus zum Verkauf. Die Staatsanwaltschaft hat lt. Bericht der Sächsischen Zeitung vom 04.04.2023 die Ermittlungen aufgenommen.

Wilcke selbst gab 2019 in einem Focus-Interview an, dass eine Gutachterin ihr eine Persönlichkeitsstörung attestiert hätte, sie als Lügnerin bezeichnete und dass sie sich die Gewaltvorwürfe gegenüber dem Vater nur ausgedacht habe. Ohne über Wilcke urteilen zu können, ist es schon bezeichnend, dass sie immer wieder in Fälle verwickelt ist, in denen genau solche Umstände nachgewiesen werden. Die „alternativen Wahrheiten“ scheinen auch bei Wilcke zu existieren.

Auch die Mutter muss sich strafrechtlich Verantworten. Zum einen wegen Körperverletzung eines Polizisten. Und zum anderen wegen Angriffs auf den Vater. Weitere Details sind in unserem Faktencheck „Die Wochenbettmutter“ aufgeführt.

Diesen Fall, trotz der öffentlich leicht nachvollziehbaren Falschdarstellungen, so darzustellen verdeutlicht, dass Howard und ihr Unterstützerumfeld keine „echten“ Skandalfälle haben, sondern auch mit anscheinend hoher krimineller Energie versuchen, die Öffentlichkeit und nun auch Leser des Buches bewusst zu täuschen. Auch ein weiterer Fall passt in dieses Muster.


Der Fall Anna Korn

Der Fall „Die Münchhausen-Mutter“ ist Howards Lieblings-Fall. Unter den Pseudonymen Anna Korn oder Elke D. wird er von ihr permanent in den Medien platziert. Hochstrittig.org hat hierzu einen ausführlichen Faktencheck Anna Korn veröffentlicht.

Im Buch wird dem Leser als erstes ein durch die Mutter eingeleitetes Gewaltschutzverfahren präsentiert. Die zahlreichen vorhergehenden Verfahren, mit denen die Mutter sowohl das alleinige Sorgerecht erstreiten als auch den Kontakt zwischen Vater und Kind verhindern wollte (siehe auch OLG Hamm 5 UF 243/19 vom 24.09.2020), werden, trotz sonst sehr detaillierter Darstellung, im Buch nicht erwähnt.

Auch der Verdacht des sexuellen Kindesmissbrauchs wurde erhoben und im Buch ausführlich beschrieben. Howard kritisiert angebliche Fehler, da die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellte, da die Behauptungen im Wesentlichen auf den Angaben der Kindesmutter beruhten (S. 241), dabei hätte doch eine Fachklinik diesen Verdacht erhoben. Dabei wurde bereits im Urteil des Verwaltungsgerichts 6 K 287/19 vom 29.11.2021 dargelegt, dass genau diese Einschätzung der Fachklinik auf den Angaben der Mutter beruhte.


Die Lügen-Mutter

Der erste Fall „Die Lügen-Mutter“ ist öffentlich bisher wohl nicht bekannt. Es fällt aber auf, dass auch dort zwar mehrfach Gewaltvorwürfe erhoben und Anzeigen erstattet worden sein sollen. Es wird aber an keiner Stelle etwas von Verurteilungen berichtet, sich nicht einmal darüber beschwert, dass die Behörden nicht oder nicht ausreichend ermittelt hätten.

Der Fall wirkt hier nach demselben Schema konstruiert wie die Fälle von Anna Korn, Anette W. und weiterer aus dem Netzwerk von Howard. Und wie immer trägt die Mutter in der Darstellung der „alternativen Wahrheit“ keinerlei Verantwortung für die Eskalation der Situation. Obwohl sie den Kontakt zwischen Vater und Kindern massiv behinderte. Obwohl sie den Vater mit mehreren Strafanzeigen überzieht, von denen im Buch an keiner Stelle von einem auch nur Teilerfolg dieser Anzeigen berichtet wird. Es darf vermutet werden, dass die Sicht und auch die Fakten, welche der Vater hier einbringen könnte, wie auch in den anderen Fällen ein gänzlich anderes Bild des Falles ergeben würden.

Mangelnde Sachkenntnis

An mehreren Stellen zeigt sich auch die mangelnde Sachkenntnis der Autorinnen zum Themengebiet. So wird behauptet, dass familienrechtliche Gutachten den Staat zwischen 10.000 – 15.000 EUR kosten (S. 245). Abgesehen von der untypischen Höhe tragen die Kosten in der Regel die Eltern, nicht der Staat.

Howard behauptet auch (S. 55), dass bereits eine Kindeswohlgefährdung vorliegen würde, wenn ein Kind unsicher oder ängstlich gebunden wäre. Dem wird wohl jeder Fachkundige widersprechen, da hierfür erst die Ursachen ermittelt werden müssten. Allein aus einem Bindungstyp lässt sich keine Kindeswohlgefährdung ablesen.

Auf S. 245 vermittelt sie dem Leser, dass selbst ein Gynäkologe Gutachten in Sorgerechtsstreitigkeiten schreiben könne. Sie übersieht dabei, dass §163 FamFG das Kriterium der „geeignetheit“ gesetzlich vorgibt und darüber Hinaus bereits umfangreiche Mindestanforderungen an die Auswahl von Sachverständigen bestehen, die genau solche Konstellationen ausschließen.

Auf S. 60 wird behauptet: „Ein Gericht zwingt keinen Erwachsenen dazu, seine Pflichten wahrzunehmen und Umgang mit seinem Kind haben zu müssen.“ Dies ist falsch und in der Praxis setzen die Gerichte die Wahrnehmung der elterlichen Pflichten auch durch (beispielsweise OLG Frankfurt 3 UF 156/20 vom 11.11.2020).

Auch in Bezug auf das von ihr abgelehnte Wechselmodell versteigt sich Howard in unhaltbare Aussagen (S. 64): „Wenn der Staat aber ein Kind dazu nötigt, zwei feste Zuhause zu haben, dann übt er ungerechtfertigt seine Macht als Gewaltmonopol aus“.

Abgesehen davon, dass viele Kinder zum Wechselmodell nicht genötigt werden, sondern dies zufriedener leben als das Residenzmodell, ist die Entscheidung über Betreuungszeiten unstrittig durch das staatliche Gewaltmonopol gedeckt, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, eine Einigung zum Wohle des Kindes zu erzielen. Ähnliche Bedenken in Bezug auf die Nötigung zum Residenzmodell oder Umgangsausschlüsse äußert Howard nicht, obwohl der Eingriff für die Kinder weitaus schwerwiegender ist.

Empfehlungen als Lichtblick?

Ab S. 355 werden „Hausaufgaben“ in Form von 22 Forderungen formuliert. 14 davon fordern Qualitätsverbesserung, Kontrollinstanzen, Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention und Konsequenzen auch für staatliches Fehlverhalten. Dabei sind auch wirklich gute, zu begrüßende Ansätze. Beispielsweise die Einführung einer Datenbank zum Nachweis des Qualitätsniveaus der einzelnen Verfahrensbeteiligten. Oder die Einführung von „Praxisrichtern“, ergänzend zu den Berufsrichtern.

Aber auch hier brechen selbstverständlich Howards Prägungen durch. Sie plädiert, wenig überraschend, für ein Verbot von „unwissenschaftlichen Ideologien“ wie dem „PAS-Syndrom“ oder Bindungsintoleranz, ebenso wie Schutzmaßnahmen unter Zwang zum Schutze von Kindern.

Howard möchte gerne den Schutzschirm über ihr Umfeld spannen. Sie möchte einen Täterinnen-Schutz installieren, damit diese frei von staatlichen Repressionen weiterhin den psychischen Missbrauch ihrer Kinder vollziehen können. Damit übernimmt Howard die Forderungen, die von feministischen Aktivistinnengruppen auch in anderen Ländern immer wieder erhoben werden und scheitern.

Scheitern müssen. Denn außerhalb der Welt der „alternativen Wahrnehmungen“ orientieren sich Gerichte und Gesetzgeber an Fakten, Verhalten und dem Wohlergehen von Kindern. Und nicht am Geschlecht.

Die Alibi-Väter

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Howard und Reitzig in ihrem Buch zumindest auch zwei Alibi-Väter (ab S. 32, S. 105) mit aufgenommen haben. Sie wollen sich wohl nicht des Vorwurfes der Einseitigkeit auszusetzen.

„Der Kämpfer-Vater“ scheitert den Schilderungen nach an einer gewalttätigen, uneinsichtigen Mutter, denen die Behörden keine Grenzen setzen. Die Kinder werden dann wohl unter den Eltern „aufgeteilt“, jeweils eines lebt bei Mutter oder Vater. Doch die Schilderungen geben Fragen auf. Auf S. 53 wird behauptet: „Die polizeilichen Ermittlungen zum Verdacht auf sexuellen Missbrauch wurden aus Mangel an Beweisen eingestellt – wie fast alle dieser Art“. Im Buch gab es allerdings nie einen Verdacht des sexuellen Missbrauchs gegen die Mutter. Auf S. 50 wird dann sogar noch der möglicherweise echte Name des Kindes genannt. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, sähe sich der Verlag möglichen Schadenersatzforderungen ausgesetzt.

„Der Helden-Vater“ soll ein Vater sein, dem nach und nach seine Kinder entgleiten. Den Manipulationen der Mutter und ihrer hochstrittigen Verfahrensführung auf dem Rücken der Kinder hat das Helfersystem nichts entgegenzusetzen. Es wird nach Jahren dem artikulierten Willen der Kinder, ihren Vater nicht sehen zu wollen, gefolgt.

Es wird also genau das gemacht, was Howard und Reitzig in den anderen Fällen immer wieder so eindringlich gefordert haben. Dem Willen der Kinder zu unbedingt zu folgen und nichts gegen deren Willen durchzusetzen. In diesem Fall kritisieren die Autorinnen es scharf. Es wäre wichtig gewesen, den Willen der Kinder zu hinterfragen, herauszufinden, was hinter der Ablehnung stehe (S. 112), woher die Ablehnung komme (S. 115).

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass hier ein doch sehr klarer Fall von Eltern-Kind-Entfremdung beschrieben wird. Die Autorinnen fordern vehement, dass das Kind vor Eltern-Kind-Entfremdung geschützt werden soll. Vor etwas, dass es, insbesondere in der Welt von Sonja Howard, gar nicht geben darf. Eine von unzähligen Widersprüchen dieses Buches.

Im Zweifel gegen das Kind - nur schwer zu ertragen

Fazit

„Im Zweifel gegen das Kind“ erfüllt seinen Titel auf fatale Weise. Es trägt nicht zum Kinderschutz bei, sondern zu dessen Aushöhlung. Es ist es vor allem ein mahnender Beleg, mit welchem Nachdruck und auch medialer Macht Elternteile und auch Aktivist:Innen-Gruppen selbst unter Missachtung von Recht und Gesetz und dem Wohlergehen ihrer Kinder versuchen, ihre eigene „alternative“ Weltsicht wider jeglicher Fakten durchzusetzen. Mögen die Geschichten für den unbedarften Leser, wenn auch etwas langatmig, dramatisch und unglaublich erscheinen, sind sie beim Blick hinter die Kulissen und auf die Fakten vor allem eines: nicht zu glauben.

Es ist der Versuch einer Kinder schädigenden und das Rechtssystem aushöhlenden Lobby, sich als Opfer darzustellen versucht. Ein Buch, auf das besser hätte verzichtet werden sollen.

Um Mängel im familienrechtlichen System und im Umgang mit hochstrittigen Fällen aufzuzeigen, bedarf es keiner Lügen und Falschdarstellungen. Es gibt genügend Fälle, in denen objektivierbar Fehler und Mängel nachgewiesen werden könnten und dem Anliegen mehr Glaubwürdigkeit und Nachdruck verleihen.

Das Buch erfüllt aber doch noch eine wichtige Aufgabe. Es verdeutlicht, wie hochstrittige Verfahren geführt werden. Es zeigt, wie falsche Darstellungen nicht nur den Leser, sondern auch Gerichte, Jugendämter und Verfahrensbeistände täuschen können. Und wie wichtig es ist, genau hinzuschauen und sich nicht von einem falsche Opferbild täuschen zu lassen, sondern allein auf die Fakten und das Verhalten zu schauen.

Die „alternative Wahrheit“ existiert in der Realität so nicht

Es zeigt auch: Die Aktivistinnen-Gruppen um Howard haben keine echten Skandal-Fälle. Sie bedienen sich fortwährend derselben kleinen Anzahl von 5 – 10 Fällen, welche sich nach und nach als Falschdarstellungen herausstellen und ein völlig falsches Täter-Opfer-Bild erzeugten. Der Bedarf an einer Verbesserung des Gewaltschutzes, den diese Gruppen lautstark einfordern, ist berechtigt. Allerdings anders, als diese meinen. Es braucht in familiengerichtlichen Verfahren mehr Schutz vor falschen Gewaltvorwürfen, mehr Qualität bei der Aufklärung und härtere Strafen für jede Form von Gewalt. Denn auch falsche Gewaltvorwürfe sind eine Form von Gewalt, können existenzvernichtend und die Beziehung zwischen zu Unrecht beschuldigtem Elternteil und Kind irreparabel schädigen.

Mangelnde Aufklärung geht „Im Zweifel gegen das Kind“. Die Scheuklappen, die das Buch dem Leser überstülpen möchte, sind daher entschieden abzulehnen.

Nachsatz

Den Ullstein-Verlag haben wir im Vorfeld der Veröffentlichung über viele der im Buch genannten Falschdarstellungen informiert. Er hat davon abgesehen, die notwendigen Korrekturen vorzunehmen, zur Wahrung seines Rufes beizutragen und seinen Lesern eine wahrheitsgemäße Darstellung zu liefern.

Beitrag teilen in:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert