Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Interdisziplinäre Zusammenarbeit in hochstrittigen Fällen

Hochstrittige Fälle sind komplex und benötigen meist die Unterstützung mehrerer Fachkräfte und Berufsrichtungen. So wie ein Haus nicht nur von einem Handwerker gebaut werden kann, braucht es auch in hochstrittigen Fällen interdisziplinäre Zusammenarbeit, um ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Dabei hat interdisziplinäre Zusammenarbeit in hochstrittigen Fällen mehrere Dimensionen:

Auf diese Punkte wird nachfolgend vertiefend eingegangen. Wir stellen die Vorteile interdisziplinärer Zusammenarbeit bei der Lösung hochstrittiger Fälle dar. Es geht es um Möglichkeiten, die bereits heute im Rahmen der geltenden rechtlichen Bestimmungen bestehen. Nach dem Fazit geben wir auch einen Ausblick, wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zukünftig weiterentwickelt werden könnte.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit kann in hochstrittigen Fällen Antworten liefern, die eine Fachkraft alleine nicht bekommen könnte.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit kann in hochstrittigen Fällen Antworten liefern, die eine Fachkraft alleine nicht bekommen könnte.

Sich ein vollständiges Bild des Falles verschaffen

Hochstrittige Fälle sind häufig davon geprägt, dass Fachkräfte eine Vielzahl von Informationen aus unterschiedlichen Quellen erreichen. Dabei haben nicht alle Fachkräfte denselben Kenntnisstand. Hinzu kommt, dass z.B. Juristen Informationen anders werten können als z.B. Sozialarbeiter. Ein Mitarbeiter eines Jugendamtes, der mit beiden Eltern spricht und Verfahrensakten kennt, kann ganz andere Informationen haben als der Kinderarzt, der nur mit einem Elternteil gesprochen hat und ausschließlich dessen Informationen und Wahrnehmungen zur Einschätzung der Situation zur Verfügung hat und diese nur zur Bewertung anhand seines eigenen Fachbereichs heranzieht.

Solche Umstände erschweren es, ein vollständiges Bild der Situation zu erhalten.

Wahrnehmungsfilter

Wichtig und häufig zu wenig beachtet sind auch Wahrnehmungsfilter. Diese hat jeder Mensch und damit auch Fachkräfte. Diese Filter können unterschiedlich ausgeprägt sein. Das eigene Geschlecht, eigene Erfahrungen, berufliches Umfeld, Vorprägungen und Aus- und Fortbildungsstand können hier zusammen mit weiteren Faktoren dazu führen, dass neben den objektivierbaren Umständen des hochstrittigen Falls auch persönliche Wertungen und Wahrnehmungsfilter mit einfließen.

Nicht ohne Grund gibt es Supervision und Intervision. Diese findet häufig aber bestenfalls innerhalb einer Berufsgruppe, aber kaum über Berufsgruppen hinweg, statt. Da könnte man Wahrnehmungsfilter erkennen und daran arbeiten, diese zu objektivieren. Trotzdem werden diese Filter, mehr oder weniger stark ausgeprägt, jeden von uns begleiten.

All diese Faktoren sorgen dafür, dass verschieden Fachkräfte völlig unterschiedliche Wahrnehmungen und Sichten auf hochstrittige Fälle haben können. Ein Abgleich dieser Sichten, erkennen von Wahrnehmungsfiltern und Integration von Sichtweisen aus anderen Fachgebieten können dabei helfen, ein objektiveres Bild auf hochstrittige Fälle zu erlangen.

Manipulationsversuche

Hinzu kommt, dass auch Eltern und Kinder häufig versuchen, Fachkräfte in ihrem Sinne zu manipulieren. Wer sich an dieser Stelle wundert, dass hier auch Kinder aufgeführt werden: Auch diese können Fachkräfte manipulieren, indem sie Dinge sagen, um einem Loyalitätskonflikt zu entgehen. Oder aber, um Eltern zu schützen oder diese nicht zu verletzen oder zu enttäuschen. Oder auch, um ein Ergebnis, welche sie für richtig erachten, zu erreichen.

Gleiches gilt für Erwachsene, welche in der Regel über weitaus mehr Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Manipulation von Fachkräften als Kinder verfügen. Hier muss unterschieden werden zwischen der Wahrnehmung berechtigter Interessen, welche sich anhand objektivierbarer Umstände darlegen und nachvollziehen lassen, und Manipulationsversuchen, welche einer Faktenprüfung nicht standhalten.

Ist bereits das Erkennen von Manipulationsversuchen nicht einfach, so ist das Ergründen der dahinterliegenden Ziele häufig noch schwieriger. Es ist aber notwendig, um das Verständnis für den Fall und mögliche Lösungsoptionen zu verbessern.

Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit Manipulationsversuche besser erkennen

Objektive Meinungsbildung ermöglichen

Transparenz sorgt dafür, dass die unterschiedlichen Fachkräfte einen möglichst einheitlichen und vollständigen Informationsstand erhalten. Transparenz sorgt im ersten Schritt also dafür, dass sich jede Fachkraft

  • in ihrer Disziplin für
  • ihr Fachgebiet ein Urteil aufgrund
  • einer möglichst vollständigen Sachverhaltsdarstellung
  • aus verschiedenen Perspektiven und
  • unter Einbeziehung mehrerer Erkenntnisquellen

bilden kann.

Dies dürfte in den meisten Fällen auch im Interesse der Fachkräfte und auch im Interesse der Kinder sein, sollen doch für sie gute Entscheidungen getroffen werden.

Das Problem: Wenn ein oder beide Elternteile die Absicht haben, Fachkräfte zu manipulieren, dann würde Transparenz dafür sorgen, dass diese Manipulation auffällt und hinterfragt wird. Hier entsteht ein Interessen-Gegensatz, der sich in der Regel zu Lasten der betroffenen Kinder und / oder zu Lasten eines Elternteils auswirkt. Daher ist besondere Aufmerksamkeit geboten, wenn erkennbar wird, dass Eltern Informationen manipulieren und Transparenz verhindern.

Sonderfall: Manipulation und Intransparenz durch Fachkräfte

Es kann auch vorkommen, dass einzelne Fachkräfte selbst ein Interesse daran haben, Informationen zu manipulieren oder für Intransparenz zu sorgen. Sei es, um eigene Fehler zu vertuschen, ein „gewünschtes“ Ergebnis zu erreichen oder weil sich diese Fachkraft mit einem der Elternteile solidarisiert hat.

Hier sind alle Fachkräfte gefordert, auch über die eigene Fachdisziplin hinaus darauf zu achten, dass die notwendige Objektivität und Neutralität gewahrt wird. Bei Zweifeln sollten diese transparent gemacht und angesprochen werden.

Nur, wenn solche Umstände angesprochen werden, können diese auch bearbeitet werden.

Transparenz herstellen

Um Transparenz herzustellen, bedarf es vor allem eines: Offenheit, Kommunikation und Austausch. Meist ist es nicht ausreichend, Stellungnahmen o.ä. zu schreiben. Mit diesen würde eine Fachkraft nur ihre eigene Sicht mitteilen. Ein Austausch, Fragen oder Ergänzungen wären nicht möglich.

In hochstrittigen Fällen wäre es sinnvoll, diejenigen, welche fachkundige Erkenntnisse zu den Eltern und den Kindern in Bezug auf die zu klärenden Fragen haben, an einen Tisch zu bringen. Rein praktisch kann dies auf gewisse Hürden stoßen.

Rechtlich müssen die Eltern in vielen Fällen Schweigepflichtentbindungen erteilen. Werden diese verweigert, ist sehr genau zu prüfen, ob dies aus legitimen Gründen in Wahrnehmung eigener Persönlichkeits- und Grundrechte oder zum Erhalt von Intransparenz und Manipulation geschieht. Sofern der Verdacht besteht, dass die Verweigerung der Intransparenz und Manipulation im Verfahren dienen könnte, sollte erwogen werden, die Zustimmung gerichtlich ersetzen zu lassen. Notfalls auch durch den (einstweiligen) Entzug von sorgerechtlichen Teilbereichen durch das Familiengericht.

Widersprüchliches Verhalten

Ein Indiz für Manipulation und Instrumentalisierung kann sein, wenn sich ein Elternteil auf der einen Seite auf die Aussagen, Atteste oder Bestätigungen einer Fachkraft (Arzt, Therapeut, Schule etc.), bezieht, dann aber einen Austausch mit dieser Fachkraft behindert oder verweigert. Kein Elternteil sollte ein Problem damit haben, dass eine von ihnen selbst benannte Fachkraft befragt wird, wenn deren Einschätzung auf zutreffenden Angaben beruht.

Immer wieder auch zu beobachten sind Vorwürfe von Gewalt und Missbrauch, auch gegen Kinder. Hier sollte eine hohe Motivation zur Aufklärung bestehen. Bei falschen Vorwürfen ist immer wieder zu beobachten, dass die Befragung oder Untersuchung durch neutrale Fachkräfte verweigert, verzögert oder behindert wird. Auch weigern sich die Elternteile häufig, Anzeige zu erstatten, mit denen kriminalpolizeiliche Ermittlungen in Gang gesetzt werden würden.

Wenn es sich um strafrechtlich relevante Vorwürfe handelt, sollte der die Vorwürfe erhebende Elternteil immer dazu aufgefordert werden, auch entsprechend Anzeige zu erstatten. Verweigert er / sie dies, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich um falsche Vorwürfe handelt.

Weitere Indizien können Widersprüche in den Aussagen von Eltern sein. Solche Widersprüche dürfen nicht ignoriert oder hingenommen, sondern müssen aufgeklärt werden. Nur so kann eine verantwortungsvolle Entscheidungsgrundlage auch im Sinne der Kinder erlangt werden. Auch dies ist ein wichtiger Bestandteil davon, Transparenz herzustellen.

Praktische Umsetzung

Es kann verschiedene Stellen geben, die die Transparenz in hochstrittigen Fällen voranbringen. Das Jugendamt kann z.B. im Rahmen einer Hilfeplankonferenz einen entsprechenden Rahmen schaffen. Ist bereits ein familiengerichtliches Verfahren anhängig, kann Transparenz auf verschiedenen Wegen hergestellt werden.

Häufig ist es z.B. der Verfahrensbeistand, der Gespräche mit verschiedenen Beteiligten führt. Diese dokumentiert er, beeinflusst auch durch seinen eigenen Wahrnehmungsfilter, für die weiteren Verfahrensbeteiligten. So entsteht kein Austausch zwischen den Fachkräften, sondern nur die Wiedergabe von deren Informationsstand, aus dem dann wieder andere Schlussfolgerungen ziehen müssen.

Aus diesen Informationen lassen sich aber häufig zumindest auftretende Widersprüche erkennen. Durch ein solches Vorgehen wird der Aufgabenbereich des Verfahrensbeistandes, welcher vorrangig für das Kind und dessen Interessen da sein soll, erheblich ausgedehnt. Damit wird manchmal ein Teil der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht auf den Verfahrensbeistand ausgelagert. Dies kann in einfachen Fällen hilfreich sein. In hochstrittigen Fällen kann es aber auch zum Problem werden. In hochstrittigen Fällen sollte das Familiengericht selbst eine aktivere Rolle bei der Aufklärung einnehmen.

Zum Beispiel durch die Beauftragung von qualifizierten Sachverständigen, die in ihrer Funktion Gehilfen des Gerichts sind. So können Sachverständige im Rahmen des ihnen erteilten Gutachtenauftrages auch Gespräche mit weiteren Beteiligten führen. Die eigentliche Pflicht zur Amtsermittlung obliegt aber weiterhin dem Familiengericht.

Das Familiengericht ist die Instanz, welche in Erfüllung ihrer Amtsermittlungspflicht für Aufklärung und Transparenz zu sorgen hat. Leider ist es noch immer eine Ausnahme, dass in familiengerichtlichen Verfahren auch Zeugen gehört werden, obwohl es hierfür keine rechtlichen Einschränkungen oder Verbote gibt. Familiengerichte sollten in ihre Arbeit verstärkt eine gewisse „kriminalistische“ Komponente integrieren (siehe auch Familienrichter als Dompteure im Konflikt). In hochstrittigen Fällen kann dies ein wichtiger Schlüssel zur Aufklärung des Sachverhalts sein. Hier sollten Familiengerichte einen stärkeren Fokus auf die ihnen obliegende Amtsermittlungspflicht legen.

Wie sinnvoll Zeugenanhörungen sein können, zeigt ein aktuelles Musterbeispiel für die Erfüllung der Amtsermittlungspflicht des Amtsgerichts Schwäbisch Hall (2 F 318/19, Entscheidung vom 21.05.2021). Der Umfang dieser Entscheidung mag auf den ersten Blick abschreckend wirken. Dieser wurde aber nur erforderlich, weil über Jahre nicht gehandelt wurde. So mussten immer mehr zur Aufklärung erforderliche Personen hinzugezogen werden. Dieser Fall ist auch ein mahnendes Beispiel, welche schrecklichen Folgen Intransparenz und das jahrelange Fehlen interdisziplinärer Zusammenarbeit haben kann. Ein Kind tot, ein Kind entführt, sehr viel wirkungslose Arbeit hier zahlloser Fachkräfte. Außerdem Solidarisierung des Jugendamtes mit dem schädigenden und entführenden Elternteil etc. allein in diesem Fall.

Es soll an dieser Stelle daher ein ausdrücklicher Appell an Familiengerichte gerichtet werden. In sich abzeichnend hochstrittigen Fällen sollte frühzeitig auch auf Zeugenanhörungen gesetzt werden. So kann ein möglichst umfangreiches Bild von der Sachlage geschaffen werden, um dem Streitpotential frühzeitig Einhalt zu gebieten.

Nicht nur, dass dadurch Transparenz hergestellt wird. Das Familiengericht hat dadurch auch die Möglichkeit, durch Fragen an Zeugen und Eltern Widersprüche aufzuklären und so Erkenntnisse darüber zu erlangen. Auch gibt dies Antworten auf die Frage, mit welcher Motivation und Ehrlichkeit die jeweiligen Elternteile im Verfahren agieren. Selbst wenn sich der einzelne Anhörungstermin durch diese Zeugenbefragungen verlängern sollte, so tragen diese in der Regel doch dazu bei, die Verfahren insgesamt zu verkürzen. Die anwesenden Fachkräfte können durch die gewonnene Transparenz wichtige Erkenntnisse für ihre Arbeit mit den Eltern im Sinne der Kinder gewinnen.

Und, ganz wichtig, wird nicht von Anfang an entschieden gehandelt, verzögern sich die Verfahren. Dadurch werden häufig durch Zeitablauf Fakten zulasten der betroffenen Kinder und eines Elternteiles geschaffen.

Ergänzung von Fähigkeiten bei interdisziplinärer Zusammenarbeit

Ergänzung von Fähigkeiten

Hochstrittige familienrechtliche Verfahren zeichnen sich durch ihre Komplexität aus. Rechtliche Sachverhalte sind zu bewerten. Hilfen zur Erziehung zu beurteilen, innerfamiliäre Dynamiken zu handhaben und unter Umständen auch therapeutische oder medizinische Punkte zu berücksichtigen.

Schon diese kurze, unvollständige, Auflistung verdeutlicht, dass keine Fachkraft allein in der Lage ist, hochstrittige Verfahren zu lösen. Die Frage ist nur:

  • Wer aus dem großen Hilfssystem hat welcher Fähigkeiten?
  • Wer beherrscht welche Handlungsoptionen?
  • Was bedarf es, um diese auch tatsächlich umzusetzen?

Um diese Fragen zu beantworten, muss man wissen, wer welche Fähigkeiten und (auch rechtlichen) Möglichkeiten hat.

Beispiel: Eine hochstrittige Auseinandersetzung nach einer Trennung. Der Streit eskaliert immer weiter. Das beteiligte Kind ist bereits erkennbar belastet. Mit den Eltern konnte weder im Jugendamt noch in einer Beratungsstelle eine Einigung erzielt werden. Von beiden Eltern liegen Anträge zur Regelung des Umgangs beim Familiengericht. Eine familiengerichtliche Entscheidung liegt nahe. Diese würde aber nicht den Konflikt lösen, da der Streit ums Umgangsrecht nach Einschätzung der Beratungsstelle oder des Jugendamtes nur eine Stellvertreter-Frage ist. Es wäre daher zu befürchten, dass mit einer isolierten Umgangsentscheidung der Streit nur verlagert wird, auch wenn das Familiengericht seine Akte so schnell schließen könnte. Dies wäre ein vorhersehbarer Bumerang, da diese Familie mit zahlreichen weiteren Verfahren alle Beteiligten in den nächsten Jahren beschäftigen würde. Niemandem wäre mit einer Entscheidung zum Umgangsrecht geholfen.

Was also tun? Der Familienrichter ist kein Therapeut und kein Mediator, das familiengerichtliche Verfahren hierfür auch wenig geeignet. Es braucht die Ergänzung von Fähigkeiten.

  • Der Familienrichter kann Eltern zum Termin laden und dies bei Weigerung auch durchsetzen. Er kann den Eltern klare Ansagen machen, was von ihnen erwartet wird und welche Konsequenzen es haben kann, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden.
    Er kann den Eltern selbst oder mit Unterstützung von Jugendamt, Verfahrensbeistand und weiteren verdeutlichen, welche Bedürfnisse die Kinder haben und was die Eltern tun können oder müssen, um diesen gerecht zu werden.
    Es kann das Anordnungen erlassen, um den anderen Fachkräften die Arbeit zu erleichtern oder zu ermöglichen. Hierzu können Vereinbarungen protokolliert werden, Zustimmungen der Eltern ersetzt oder auch Teile des Sorgerechts entzogen oder bedarfsgerecht geregelt werden. In einem gewissen rechtlichen Rahmen können Eltern auch zur Beratung verpflichtet werden (§1666 BGB).
    Im vorliegenden Beispiel wäre es z.B. sinnvoll, für die Zeit der Beratungen den Umgang einstweilen zu regeln, um dieses Konfliktfeld zwischenzeitlich zu entschärfen. Es wacht über die Grundrechte der Beteiligten und wägt ab, wie Vorschläge, Ideen und Maßnahmen rechtlich zulässig oder erforderlich sind, ohne allerdings selbst über die vertiefte Fachkunde zu den einzelnen Maßnahmen zu verfügen.
    Einer der wichtigsten Punkte aber dürfte sein, dass Verfahren offen zu halten und sich regelmäßig zu erkundigen, an welchem Stand sich die Familie befindet und ob seitens des Gerichts nachgesteuert werden muss. Das Familiengericht ist die wichtigste Schaltzentrale im gesamten System, da es über die weitreichendsten Befugnisse verfügt.
  • Das Jugendamt kennt meist die Familie und auch die Zeit vor den gerichtlichen Verfahren. Es kann eine koordinierende Aufgabe übernehmen und Hilfen genehmigen. Es kann den Eltern und dem Familiengericht einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Hilfs- und Unterstützungsangebote in der Region geben. Selbst hat es aber kaum Befugnisse.
    Für Gespräche mit den Eltern ist es auf deren freiwillige Bereitschaft angewiesen, es kann ihnen Angebote machen, aber die Eltern nicht verpflichten. Umfangreiche Beratungen kann das Jugendamt in der Regel nicht selbst darstellen.
    Aus seinem staatlichen Schutzauftrag heraus muss es die Familie und vor allem auch das Kind im Blick behalten und falls notwendig auch gegenüber dem Familiengericht auf den Erlass von Anordnungen oder die Durchführung von Maßnahmen hinwirken.
    Außerdem hat das Jugendamt zu prüfen, ob die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung zu erkennen ist oder nicht. Sieht es bei seiner Prüfung nach §8a SGB VIII entsprechende Anhaltspunkte, kann es beim Familiengericht entsprechend vortragen, damit dieses im Rahmen seines Handlungsrahmens (z.B. §1666 BGB) tätig werden kann.
  • Die Beratungsstelle verfügt häufig über Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen wie Mediatoren, Therapeuten, Psychologen und weiteren.
    Es ist Kompetenz, Zeit und Raum vorhanden, um mit Eltern individuell und in unterschiedlichen Settings zu arbeiten. Hier können vertiefte Erkenntnisse über die familiäre Dynamik gewonnen werden. Hintergründe können beleuchtet und persönliche Kränkungen und Emotionen aufgearbeitet werden. Aber auch über psychische Akzentuierungen und Einschränkungen, welche Eltern unter Umständen hindern, ihr Verhalten (zu diesem Zeitpunkt) auf die Bedürfnisse der Kinder auszurichten, kann gesprochen werden.
    Beratungsstellen sind in der Regel aber auf Freiwilligkeit der Eltern angewiesen und können aufgrund der Schweigepflicht ihre Erkenntnisse häufig nicht weitergeben und in das Verfahren selbst einführen. Dies wird nur möglich, wenn durch das Familiengericht ein entsprechender Rahmen geschaffen wurde, welcher eine größtmögliche Transparenz ermöglicht.
    Die Kompetenz der Beratungsstellen kann nur wirken, wenn sie effektiv eingebunden werden. Andernfalls sind sie häufig zum Scheitern verurteilt und können die Situation durch Zeitverzug unverschuldet sogar noch verschlimmern (Zeit schafft Fakten).
  • Ärzte, Therapeuten, Umgangspfleger, Umgangsbegleiter, Kliniken und weitere können bedarfsgerecht mit eingebunden werden und ihr Fähigkeitsprofil mit einbringen. Soweit ein entsprechender Rahmen geschaffen wurde, können sie ihre Erkenntnisse auch ins Verfahren rückmelden. Dort kann auf einer möglichst vollständigen und transparenten Sachverhaltsdarstellung entschieden werden kann, welche nächsten Schritte einzuleiten sind.

Im angesprochenen Beispiel kann sich herausstellen, dass ein Elternteil mit einer massiven Kränkung oder Enttäuschung zu kämpfen hat. Auch Traumata aus der eigenen Kindheit, welche nicht erkannt oder überwunden wurden, konnten zutage treten. Durch Gespräche in der Beratungsstelle wurde diese Problemlage erkannt und in Einzelgesprächen mit diesem Elternteil weiter vertieft. Der Elternteil erklärte sich dann bereit, für sich selbst einzeltherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. In der Zwischenzeit gab es in Bezug auf den Umgang eine Zwischenvereinbarung in der Beratungsstelle oder wurde die einstweilige Regelung des Gerichts fortgeführt.

Nach neun Monaten hatte der traumatisierte Elternteil mit Hilfe seines Therapeuten erkannt, was bei ihm die Reaktionen gegenüber dem anderen Elternteil hervorrief. Er hatte gelernt, dies einordnen zu können. Auch mit dem anderen Elternteil wurden Gespräche geführt. Er erhielt in Bezug auf die erlebten Belastungen auf der Elternebene einen Raum und wurde unterstützt. Hierfür waren Einzelgespräche in der Beratungsstelle ausreichend. Die Situation zwischen den Eltern entspannte sich zunehmend. Sie waren wieder in der Lage, Absprachen zu treffen, dem Kind ging es erkennbar besser – den Eltern ebenfalls.

Eine gerichtliche Entscheidung zum Umgang wurde nicht erforderlich, anfangs getroffene Anordnungen zur Sicherung des Beratungsprozesses konnten aufgehoben werden. Die Eltern hatten keine weiteren familiengerichtlichen Verfahren. Eine Nachfrage des Jugendamtes bei Mutter und Vater nach der Einschätzung der Situation ein Jahr nach Abschluss der Beratungen ergab eine deutliche Entspannung auf beiden Seiten.

Dieses Beispiel zeigt, dass es nur durch das effektive Zusammenwirken verschiedener Professionen möglich war, die Situation zu lösen. Eine potenziell hochstrittige Situation, welche zahlreiche Verfahren über viele Jahre zur Folge gehabt hätte, konnte abgewendet werden.

Eine schnelle gerichtliche Umgangsregelung mit Abschluss des Verfahrens hätte das eigentliche Problem, das Traumata des einen Elternteils, weder erkannt noch berücksichtigt. Der Streit wäre im Kontakt zwischen den Eltern weiter entbrannt. Die Beratungsstelle hätte nicht erfolgreich arbeite können, wenn den Eltern die Konsequenzen einer Verweigerung oder eines Scheiterns nicht vom Gericht bewusst gemacht worden wären. Zudem stand das Gericht jederzeit zur Verfügung, um zur Sicherung des Beratungsprozesses oder zum Schutz des Kindes einschreiten zu können.

Die Eltern wussten, dass in der Beratung eine Lösung von ihnen erwartet wurde. Und der Therapeut des Elternteils hatte einen Patienten bekommen, mit dem zumindest grundlegende Punkte, die ihn beeinflussen, bereits in der Beratungsstelle herausgearbeitet wurden – er musste damit nicht bei Null anfangen, sondern konnte deutlich zielgerichteter einsteigen.

Durch diese Kombination von Fähigkeiten und Kompetenzen wurde vermieden, dass Jugendamt und Familiengericht sich über viele Jahre mit einem hochstrittigen Fall auseinandersetzen müssen. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten ist dies beachtlich. Die Hilfen für die Familie wurden sehr effektiv eingesetzt. Andere Verläufe produzieren häufig über Jahre hohe Kosten an Hilfen zur Erziehung, ohne dass diese eine positive Wirkung zeigen.

Wem dieses Vorgehen bekannt vorkommt, es ist angelehnt an die „Cochemer Praxis“. Diese hat sich in ihren verschiedenen Erscheinungsformen immer wieder als hoch effektiv und befriedend erwiesen hat. Aus diesem Grund wurde sie 2015 von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einstimmig als familienrechtliches Leitbild für alle 47 Mitgliedsstaaten empfohlen (Resolution 2079(2015). Der deutsche Gesetzgeber hat LEIDER einen bundeseinheitlichen Rahmen hierfür bis heute noch nicht geschaffen. Niemand ist aber gehindert, dies regional auch heute schon umzusetzen. Dass es sich lohnt, verdeutlicht nicht nur das vorstehende Beispiel.

Rechtliche und praktische Grenzen einzelner Fachkräfte ausgleichen

Ergänzend zu den Fähigkeiten gibt es bei den Möglichkeiten gewisse Einschränkungen. Wenn der Jugendamtsmitarbeiter der Meinung ist, diese Eltern müsste man zur Beratung verpflichten, fehlt ihm die rechtliche Möglichkeit, dieses anzuordnen. Das kann nur das Familiengericht.

Wenn die Beratungsstelle der Ansicht ist, bei dieser Familie braucht noch 10 Einzelberatungen, kann sie dies nicht einfach umsetzen. Dies müsste durch das Jugendamt bewilligt werden.

In solchen Fällen braucht es wieder interdisziplinäre Zusammenarbeit. Den Austausch mit den Stellen, welche die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen können und über die rechtliche Möglichkeit verfügen.

Der Schlüssel zu diesem Thema ist

  • das Wissen, wer im System die erforderlichen Kompetenzen und Vollmachten hat
  • eine schnelle Reaktion
  • die Wahrnehmung der eigenen Verantwortung für den Entwicklungsprozesses

Es bringt wenig, wenn die Beratungsstelle den Bedarf erkennt, diesen aber bei Jugendamt oder auch Familiengericht nicht anmeldet. Oder wenn das Jugendamt zwar Anzeichen einer Gefährdung sieht, diese aber nicht ans Familiengericht meldet, sei es aus Sorge, Überlastung zur Vermeidung des Aufwandes einer Gefährdungsmeldung.

Fazit

Dieser Beitrag zeigt die Chancen auf, die die interdisziplinäre Zusammenarbeit allen Beteiligten bieten kann. Der größte Vorteil liegt darin, dass langwierige und wiederkehrende Verfahren vermieden werden können. Kinder und Eltern werden entlastet und die Arbeitsbelastung von Familiengerichten, Jugendämtern und Beratungsstellen mittel- und langfristig reduziert.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit kann einer verfahrenstaktischen Hochstrittigkeit effektiv entgegenwirken. Im Falle pathologischer Hochstrittigkeit kann interdisziplinäre Zusammenarbeit frühzeitig einen gesicherten Rahmen für das Kind schaffen, in dem auch der / die Eltern mit pathologischen Akzentuierungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten eingebunden werden können. Das Schaffen von Fakten aufgrund von Zeitablauf kann eingedämmt werden. Dies ist wichtig, denn meist wirken sich solche Fakten zu Lasten von Kindern aus.

Noch ist es so, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit vom Engagement der einzelnen Beteiligten vor Ort abhängig ist. Ich kann Sie hierzu nur ausdrücklich ermutigen, diesen Schritt zu gehen. Es wird sich für Sie und auch für die beteiligten Kinder auszahlen.

Insbesondere geht dieser Wunsch und diese Aufforderung an die Familienrichter. Ohne sie und ihre steuernde Wirkung können die anderen Fachkräfte hochstrittige Fälle nicht effektiv lösen. Lokale Arbeitskreise Trennung und Scheidung können ein gutes Format sein, um sich vor Ort auszutauschen und einen Einblick in die Arbeit, Sorgen und Nöte der jeweils anderen Professionen zu erlangen. Und vielleicht sind ja genau diese es, die mit ihren Fähigkeiten und Kompetenzen im nächsten hochstrittigen Fall konkret unterstützen können.

Allen Fachkräften, die bereits heute eigeninitiativ und oftmals neben ihrer eigentlichen Tätigkeit die Möglichkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit nutzen, sein ausdrücklicher Dank und Anerkennung geschuldet.

Der klare Wunsch aber ist, dass seitens des Gesetzgebers endlich ein verbindlicher, gesetzlicher Rahmen geschaffen wird. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit muss institutionalisiert und bundesweit verankert werden und darf nicht nur vereinzelt (erfolgreich) Kindern und Eltern zugutekommen.

Lösungsansätze für interdisziplinäre Zusammenarbeit

Ausblick

Bisher wurde vor allem ein Blick auf bereits bestehende Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit in Deutschland geworfen. Aufgrund der eigenen Erfahrung mit unzähligen hochstrittigen Verfahren und den bereits umgesetzten Familienrechtsreformen in anderen Ländern (z.B. Australien oder Dänemark) möchte ich einen Appell für einen deutlichen Kurswechsel im Umgang mit hochstrittigen Familienrechtsverfahren an die Fachkräfte und vor allem an den Gesetzgeber richten.

Hierfür schlage ich eine Aufteilung von Trennungseltern in drei Gruppen vor.

Gruppe 1 – Die Einvernehmlichen

Die weitaus meisten Eltern (rund 80%) schaffen es, eigenverantwortlich Regelungen nach einer Trennung zu finden. Vielleicht benötigen diese in Einzelfällen eine Beratung durch einen Mediator oder eine Familienberatungsstelle. Diese Eltern sind „unkritisch“ und ihnen sollten niederschwellige, auch kostenfreie oder kostengünstige Angebote zur Verfügung stehen, die sie bei Bedarf nutzen können.

Gruppe 2 – Die Hilfebedürftigen

Dann gibt es die Gruppe der Eltern, welche Probleme damit haben, eigenverantwortliche Regelungen zu finden (ca. 15%). Diese benötigen eine qualitativ hochwertige Beratung und Unterstützung, zeitnahe Terminverfügbarkeit und unter Umständen auch gerichtliche Entscheidungen zur (vorübergehenden) Regelung bestimmter Konfliktgebiete. Aber auch durch Angebote wie „Kind im Blick“ oder „Kinder aus der Klemme“ lässt sich in dieser Gruppe noch gut ein langfristig tragbares Ergebnis erreichen.

Für diese Gruppe sind bereits heute gute Unterstützungs- und Interventionsmöglichkeiten vorhanden. Das bestehende Angebot sollte ausgebaut und optimiert werden.

Wichtig ist allerdings, dass die Hilfsangebote zielgerichtet und bedarfsorientiert an diese Familien herangetragen werden. Das falsche Angebot zur falschen Zeit kann sich fatal auswirken und den Streit verlängern. Hier besteht bisher noch deutlicher Nachholbedarf. Interdisziplinäre Zusammenarbeit kann hier helfen, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und den Konflikt so zu deeskalieren und das Kind vor weiteren Belastungen zu schützen.

Gruppe 3 – Die Hochstrittigen

Für die Gruppe der hochstrittigen Eltern gibt es bis heute in Deutschland keine adäquaten Unterstützungs- und Interventionskonzepte. Der Ausgang solcher Fälle gleicht häufig einer Kapitulation von Fachkräften. Kinder werden massiv belastet und häufig in ihrer Entwicklung erheblich geschädigt. Psychische Auffälligkeiten und Störungen sind oft zu beobachtende Folgen. Nicht selten Verbunden mit einem Kontaktabbruch zu dem Elternteil, der sich nichts zu Schulden hat kommen lassen oder versucht hat, zu deeskalieren oder aus der Eskalationsspirale auszusteigen. Mit der Begründung „das Kind muss zur Ruhe kommen“, wird das Kind meist dem eskalierenden Elternteil überlassen und damit vorhersehbar weiter geschädigt. Schon mehrfach wurde Deutschland für solche Fälle durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, ohne, dass dies bisher zu nachhaltigen Verbesserungen der Situation geführt hat.

Trotz dieser defizitären Ergebnisse werden bei Fachkräften in solch hochstrittigen Fällen enorme Ressourcen gebunden. Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen und deutlich besser und effizienter eingesetzt werden sollten. Hinzu kommt, dass gerade Ressourcen in diesen Bereichen knapp sind, Personal- und Qualifikationsmangel herrscht und ein effektiver Kinderschutz rein praktisch nicht gewährleitet werden kann. Hier sei nur an die seit Jahrzehnten immer wieder aufkommenden Hilferufe aus überlasteten Jugendämtern oder die bis heute nicht geregelte fachliche Ausbildung von Familienrichtern erinnert.

In der Gruppe der hochstrittigen Eltern ist daher der größte Handlungsbedarf gegeben, zumal hier auch das größte Potential für die Schädigung der Kinder besteht. Es braucht daher ein grundlegendes Umdenken und andere Handlungsweisen in der interdisziplinären Zusammenarbeit. Handlungsweisen, welche uns in Deutschland vielleicht ungewohnt und fremd erscheinen mögen, die in anderen Ländern aber bereits erfolgreich und teils über Jahrzehnte umgesetzt wurden.

Beispiele für „Spezialeinheiten“ aus anderen Bereichen:

Im medizinischen Bereich werden spezielle Kompetenzzentren geschaffen, welche sich z.B. auf bestimmte Krankheitsbilder, Tumorarten oder Therapieformen konzentrieren. Deren Erfolgsquote liegt weitaus höher als bei unspezifizierten Medizinern und ihre Erfahrung trägt zudem zu einer Weiterentwicklung therapeutischer Interventionen bei.

Früher galten einige Kinder als schwer erziehbar, auffällig oder nicht integrierbar, Kitas oder Schulen waren mit deren Betreuung überfordert. Erst durch die Schaffung von „Spezialeinheiten“ wie Integrations- oder Inklusionskitas und -schulen mit spezielle ausgebildeten Pädagogen gelang es, auch diese Kinder besser zu integrieren.

Während der olympischen Spiele 1972 nahm eine Gruppe palästinensischer Terroristen israelische Sportler als Geiseln. Die Polizei war mit der Situation hoffnungslos überfordert, für solche Bedrohungsszenarien nicht ausgebildet. In der Folge entstand eine Spezialeinheit, die heutige GSG9, welche für Einsatzszenarien, mit der die Bereitschaftspolizei überfordert wäre, ausgebildet ist.

Dies ist nur eine kleine Auswahl, wie Spezialisierung helfen kann, Herausforderungen, die einen allgemeinen Ansatz überfordern, zu bewältigen. Auch hochstrittige Fälle werden sich besser lösen lassen, wenn wir beginnen, diese durch Spezialisten und nicht durch Generalisten zu bearbeiten.

Für Eltern, die als hochstrittig eingestuft werden, sollte es spezielle, interdisziplinäre Einheiten geben, die diese Fälle betreuen. In diesen „Spezialeinheiten“ sollten speziell aus- und fortgebildete Familienrichter, Jugendamtsmitarbeiter und Beratungsstellen / Therapeuten gemeinsam diese Fälle bearbeiten und einen festen organisatorischen Rahmen haben. Es sollte eine direkte Schnittstelle zu den Strafverfolgungsbehörden geben, welche in geeigneten Fällen (Gewalt, Missbrauch etc.) aktiv durch die „Spezialeinheit“ hinzugezogen und eingebunden werden. Straftaten, auch Falschbeschuldigungen, sollten konsequent und von Amts wegen zur Anzeige und Verfolgung gebracht werden.

Sollte ein oder beide Elternteile die Aufklärung des Falles behindern oder unangemessen verzögern, sollten konsequent (temporäre) Eingriffe in die elterliche Sorge vorgenommen werden. Dies bedeutet zwar einen Eingriff in die Grundrechte der Eltern, dient aber auf der anderen Seite der Wahrung der Grundrechte des Kindes – auf Umgang mit beiden Eltern, körperliche und geistige Unversehrtheit und weiterem. Hier muss Kinderschutz klar vor Elternschutz gehen.

Alle Fälle, die in diese Kategorie gehören, sollten als Gefährdungsverfahren geführt werden, was auch heute bereits die Handlungsmöglichkeiten der Familiengerichte deutlich erweitert.

Notwendige Entscheidungen sollten nicht innerhalb von Wochen oder Monaten, sondern innerhalb von Tagen oder Stunden getroffen werden können, um dem Schaffen von Fakten durch Zeitablauf vorzubeugen.

Am Ende des Einsatzes der „Spezialeinheit“ kann bei positiv veränderter Situation eine Überführung der Eltern in „reguläre“ Hilfs- und Unterstützungsangebote erfolgen, welche den Eltern wieder eine stärkere Wahrnehmung von Eigenverantwortlichkeit ermöglichen. Hat es keine positive Veränderung auf ebene der Eltern (eines oder beider Elternteile) kann z.B. ein Obhutswechsel zum kooperativen Elternteil, eine Fremdunterbringung oder aber die Einschränkung des Kontaktes zu einem oder beiden Elternteilen stehen.

Die Maßnahmen müssen geeignet sein, das Kind soweit als möglich vor weiterem Schaden zu schützen und dürfen keine Kapitulationserklärung vor eskalierenden und das Wohl der Kinder gefährdenden Verhalten sein.

Alle Einsätze der „Spezialeinheiten“ sollten in Bezug auf ihre Wirkung untersucht und einem kontinuierlichen Weiterentwicklungsprozess, auch über die eigenen Teams hinaus und deutschlandweit, unterzogen werden. Es muss einen Austausch über „best practice“, über erfolgreiche Interventionen geben, ebenso, wie einen Austausch über Ansätze, die nicht funktioniert haben. Hierfür bedarf es einer positiven Fehlerkultur, welche nicht das Anklagen des unbefriedigenden Ergebnisses, sondern den daraus gewonnenen Erkenntniswert für zukünftige Fälle in den Mittelpunkt stellt.

Der Aufwand, der der Schaffung dieser Spezialeinheiten gegenüber steht, dürfte verglichen mit den positiven Effekten vernachlässigbar sein. Ich würde sogar so weit gehen, dass sich innerhalb kurzer Zeit sogar bereits erhebliche Einspareffekte beobachten lassen.

  • Es wird weniger Verfahren geben
  • Eltern haben eine höhere eigene Motivation zur Einigung
  • Hochstrittige Verfahren werden insgesamt kürzer und effizienter geführt
  • Die Belastung von Kindern und Eltern nimmt ab
  • Die reguläre Arbeit und Jugendamt und Familiengericht wird von diesen außergewöhnlichen Fällen entlastet, für die die bisherigen Mitarbeiter nicht hinreichend qualifiziert sind

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass am Streit der Eltern häufig noch gut verdient wird. Dies würde sich durch den Einsatz von „Spezialeinheiten“ reduzieren. Nur kann diese Motivation, sich auf Kosten des Leids von Kindern zu bereichern, für die Politik kein Hinderungsgrund sein. Ziel muss es sein, endlich ein effektives Kinderschutzsystem zu schaffen, welches die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördert und institutionalisiert und damit Kinder entlastet und Schaden von Ihnen abwendet.

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