Reformen des dänischen Familienrecht, von denen Kinder in Deutschland nur träumen können

Am 17. Juni 2024 wurden Entwürfe zur Reform des dänischen Familienrecht veröffentlicht. Sie sind klar auf gemeinsame Elternschaft, Verhinderung von Eltern-Kind-Entfremdung, Beschleunigung der Verfahren, einen wirkungsvollen Gewaltschutz sowie die Deeskalation bzw. Sanktionierung elterlichen Fehlverhaltens ausgerichtet. Kurz, genau das, was es braucht, um Kinder zu schützen. Noch kürzer: genau das Gegenteil von dem, was in Deutschland angestrebt wird.

Reformen im dänischen Familienrecht gehen in die richtige Richtung

Kinder dürfen nicht zur Waffe werden

Ziel ist es, vor den Konflikten der Eltern zu schützen.

„Es ist die Pflicht der Eltern, dafür zu sorgen, dass das Kind in der Beziehung zwischen ihnen nicht zur Waffe wird. Daher müssen Schikanen, einschließlich der elterlichen Entfremdung, in Fällen elterlicher Verantwortung in größerem Umfang als heute unterbunden werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Mobbing, einschließlich der elterlichen Entfremdung, so früh wie möglich bekämpft wird.“

In schwersten Fällen müssen solche Schikanen nach dem Entwurf Konsequenzen für den Elternteil haben, „der den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil durch anhaltende unbegründete Schikanen verhindert“.

Es wird darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, sowohl die Schikanen als auch den Begriff der elterlichen Entfremdung ins Gesetz aufzunehmen. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass ein Elternteil, der objektive Gründe habe, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu verhindern, diese Gründe aus Angst vor Konsequenzen nicht äußere. Alle Entscheidungen haben sich weiterhin am Kindeswohl zu orientieren.

Tempo

Entscheidungen zum Umgang in Fällen, in denen der Umgang erst kürzlich abgebrochen ist, sind innerhalb von drei Wochen, ggf. einstweilig, zu treffen. In dieser Zeit hat das Familiengericht „innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 29 a FamFG die für eine Entscheidung über das umgangserhaltende Besuchsrecht für erforderlich gehaltene Sachaufklärung durchzuführen“.

Eine abschließende Entscheidung in Umgangsfragen ist verpflichtend innerhalb von vier Monaten zu erlassen. Es wird klargestellt, dass es wichtig sei, dass das Kind während der Bearbeitung des Falles nicht unnötig den Kontakt zu einem Elternteil verliert.

„In Fällen von Schikanen müssen die Familiengerichte rasch gegen diese Schikanen usw. vorgehen, da es für das Kind eine große Belastung sein kann, wenn ein Elternteil ständig den Kontakt des Kindes mit dem anderen Elternteil verhindert oder die Zusammenarbeit in Bezug auf das Kind erschwert.“

Entscheidungen rein durch Zeitablauf (Zeit schafft Fakten), in Deutschland in hochstrittigen Fällen leider eher die Regel als die Ausnahme, soll so im dänischen Familienrecht wirksam entgegengewirkt werden. In deutschen Familiengerichten endet der Beschleunigungsgrundsatz am Amtsgericht meist nach dem frühen ersten Termin.

Grundsatz der Kindeswohldienlichkeit des Kontaktes zu beiden Eltern

Wie im deutschen Recht ist auch im dänischen Familienrecht festgehalten, dass in der Regel der Kontakt zu beiden Eltern für das Wohl der Kinder förderlich ist. Von der Regel kann es ausnahmen geben und diese sind im Entwurf sehr ausgewogen formuliert:

„Das Gesetz über die elterliche Verantwortung geht also von der allgemeinen Annahme aus, dass es für das Kind am besten ist, mit beiden Elternteilen Kontakt zu haben. Es muss jedoch in jedem Fall eine spezifische Bewertung des Kindeswohls vorgenommen werden, und es kann eine Entscheidung über die Verweigerung oder den Abbruch des Umgangs getroffen werden, einschließlich einer vorübergehenden Entscheidung, wenn es Umstände gibt, die es für das Kind am besten machen, keinen Kontakt mit einem Elternteil zu haben.“

Es wird also klargestellt, dass es von dem für die überwiegende Zahl der Fälle zutreffenden Grundsatz begründete , im Kindeswohl liegende, Ausnahmen geben kann.

Effektiver Gewaltschutz

Eine Beweislastumkehr der Kindeswohldienlichkeit im Sorge- und Umgangsrecht soll es in Fällen geben, in denen ein Elternteil zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, beispielsweise wegen schwerer Straftaten, auch gegen das Kind, oder terroristischer Straftaten. Die Familiengerichte sind berechtigt, auch ohne Zustimmung des Elternteils Auskünfte aus dem Zentralen Strafregister einzuholen.

In solchen Fällen liegt es an dem Elternteil darzulegen, dass aktuell vom ihm keine Gefährdung ausgeht. Dies gilt z.B. wenn die Straftat lange zurückliegt oder eine nachweisbare Verhaltensänderung eingetreten ist. In solchen Fällen soll zusätzlich eine sachverständige Einschätzung (Gutachten) eingeholt werden.

Eine solche Regelung der Beweislastumkehr, in Fällen, in denen ein Elternteil aufgrund konkreter Straftaten rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde und damit eine Einschränkung seiner Fähigkeit, sich um ein Kind zu kümmern, selbst herbeigeführt hat, würde auch in Deutschland eine Verbesserung des Gewaltschutzes darstellen.

Kooperation und Umgangsverhinderung als wichtige Faktoren des Kindeswohls

Was im dänischen Familienrecht als wichtiger Faktor für das Kindeswohl gesehen wird, wird in den Entwürfen in vorbildlicher Klarheit dargelegt:

„Bei der Beurteilung der Frage, was das Beste für das Kind ist, sind die wichtigsten Grundsätze des Gesetzes über die elterliche Verantwortung zu berücksichtigen, wonach das Kind ein Recht auf zwei Elternteile hat und die Eltern Verantwortung für das Kind übernehmen müssen, indem sie sich zum einen um das Kind kümmern und zum anderen bei wichtigen Entscheidungen über das Kind zusammenarbeiten. Diese Verantwortung spiegelt sich auch darin wider, dass beide Elternteile dazu beitragen müssen, dass der Umgang mit dem Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, realisiert wird, vgl. § 19 Abs. 2 des Gesetzes. Es ist daher ein wichtiger Bestandteil der Beurteilung des Kindeswohls, wenn ein Elternteil den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil unzumutbar verhindert.

Die Fähigkeit der Eltern, in Bezug auf das Kind zu kooperieren, ist daher ein wichtiges Element bei der Beurteilung des Kindeswohls und daher ein Faktor, dem bei Entscheidungen über das Sorgerecht, den Aufenthalt und das Umgangsrecht erhebliches Gewicht beigemessen wird.

Eine Blockade der Kooperation kann von beiden Elternteilen ausgehen, so dass ein Mangel an Kooperation sowohl auf die Umstände des Elternteils, bei dem das Kind lebt, als auch auf die des Umgangselternteils zurückzuführen sein kann.“ (Hervorhebungen durch den Autor)

Folgend wird dargelegt, welche Konsequenzen ein Fehlverhalten für jeden Elternteil haben kann.

Mögliche Konsequenzen für den Obhutselternteil

„Eine Blockade der Kooperation durch den sorgeberechtigten Elternteil kann sich zum Beispiel in Form von Umgangsbelästigung äußern, indem der sorgeberechtigte Elternteil versucht, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ohne ersichtlichen Grund zu verhindern oder das Kind bewusst in die Konflikte der Eltern einzubeziehen. Dies kann dem Kind schaden und daher Auswirkungen auf Entscheidungen über das Sorgerecht oder den Aufenthalt des Kindes haben.“

Mögliche Konsequenzen für den Umgangs-Elternteil

„Das Gleiche gilt für die Belästigung der Zusammenarbeit durch den Umgangselternteil. Mangelnde Kooperation oder Belästigung des umgangsberechtigten Elternteils und seiner Familie durch den umgangsberechtigten Elternteil, z. B. in Form ständiger Gewaltandrohungen, oder die Tatsache, dass der umgangsberechtigte Elternteil die Familie ständig aufsucht oder kontaktiert, möglicherweise trotz einer einstweiligen Verfügung, sind somit Faktoren, die in die Beurteilung der Frage einfließen können, welcher der Elternteile als am besten geeignet angesehen werden muss, um mit dem Kind zu kooperieren.“

Fähigkeit zur Kooperation als wichtiger Entscheidungsaspekt

In meinen Veranstaltungen zum Thema Hochstrittigkeit weise ich seit Jahren darauf hin, dass in der Familienrechtspsychologie (vergl. Dettenborn & Walter) schon lange davon ausgegangen wird, dass die Kooperationsfähigkeit und Bereitschaft wichtige Punkte für die Beurteilung der Zuweisung des Sorgerechts sind. Diese fachliche Sicht soll zukünftig auch im dänischen Familienrecht zur Geltung kommen, indem es im aktuellen Entwurf heißt:

„Entscheidungen nach dem Gesetz über die elterliche Verantwortung basieren auf einer zukunftsorientierten Perspektive, und in diesem Zusammenhang muss großer Wert darauf gelegt werden, welcher der Elternteile am besten in der Lage ist, zu kooperieren und damit langfristig den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil am besten zu gewährleisten.“

Allein ein solcher Satz, in der Praxis konsequent angewandt, könnte viele angeblich „hochstrittige“ Fälle befrieden und Eltern-Kind-Entfremdung verhindern, sofern die Eltern zu einer Verhaltensänderung in der Lage sind.

Bezug zu internationalen Vereinbarungen und zum europäischen Menschenrechtskonvention

Ausführlich wird auf die Vereinbarkeit der Entwürfe zur Reform des dänischen Familienrechts in Bezug auf die UN-Kinderrechtskonvention und die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) eingegangen und dargelegt, weshalb man die Vorschläge mit diesen internationalen Regeln für vereinbar halte.

Dies sollte eine Selbstverständlichkeit sein, ist aus deutscher Perspektive allerdings nahezu unbekannt. Deutsche Gesetzesentwürfe im Familienrecht glänzen in der Regel mit der Abwesenheit jeglicher internationalen Bezüge, sofern die Änderung nicht ausdrücklich aufgrund einer Verpflichtung durch den EGMR erfolgt. Auch in diesem Punkt darf der deutsche Gesetzgeber gerne von den dänischen Kollegen lernen.

Zum Thema Kontaktabbruch wird sehr klar ausgeführt:

„Die Praxis des Gerichtshofs in Bezug auf den Abbruch des Umgangs zwischen Kindern und Eltern ist restriktiv. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darf der Kontakt nur unter außergewöhnlichen Umständen abgebrochen werden“

Die in Deutschland häufig übliche Praxis, den Kontakt es Kindes mit dem Umgangselternteil aufgrund „Hochstrittigkeit“ der Eltern auszuschließen, ist damit nicht vereinbar. In Dänemark hat man dies zum Glück bereits erkannt.

Wichtiges Signal zur Gleichstellung

Der Entwurf wird auch in Bezug auf die Auswirkungen der Gleichstellung geprüft:

„Trotz der Tatsache, dass Scheidungskinder immer häufiger zu gleichen Teilen oder fast zu gleichen Teilen bei Mutter und Vater leben, zeigen die Statistiken, dass hauptsächlich die Mutter des Kindes der aufenthaltsberechtigte Elternteil des Kindes ist, was bedeutet, dass Anträge auf Umgang hauptsächlich vom Vater des Kindes gestellt werden.

Da es sich bei den Umgangseltern hauptsächlich um Väter handelt, wird der Vorschlag dazu beitragen, die Gleichstellung von Männern und Frauen in Bezug auf den Umgang mit ihren Kindern zu verbessern.“

Auch dies ist keine unbedingt neue Erkenntnis. In Entwürfen zum deutschen Familienrecht finden sich solche Bezüge bisher leider nicht. Und dies, wo Gleichstellung doch sonst in allen Bereichen als sehr wichtiges Ziel propagiert wird.

Lob für den dänischen Gesetzgeber

Die geplanten Reformen des dänischen Familienrechts setzen an den richtigen Stellen an. Sie werden dazu beitragen, Streit zu verhindern, die Kooperation von Eltern zu fördern, die Gleichberechtigung voranzubringen. Gleichzeitig werden wichtige Verbesserungen im Gewaltschutz vorgenommen.

In aller Anerkennung muss man hier feststellen, dass der dänische Gesetzgeber sich tatsächlich am Kindeswohl orientiert und auf die Lösung bestehender Probleme konzentriert hat. Dabei ist man sachlich und ausgewogen vorgegangen.

Nachsitzen für das Kindeswohl im Bundesjustizministerium

Ganz anders als die bisher veröffentlichen Eckpunktepapiere der Reformen im deutschen Familienrecht. Neben deutlich erkennbaren ideologischen Einflüssen werden Möglichkeiten zur Deeskalation konsequent vermieden. Profitieren werden erneut nur diejenigen Professionen, welche am Streit der Eltern verdienen. Wie so häufig wird in Deutschland das Kindeswohl dem Profit untergeordnet. Details dazu in unserer Stellungnahme zu den Eckpunkte-Papieren zu den Reformen des Familienrechts.

Da die Referentenentwürfe aus dem Bundesjustizministerium trotz Ankündigung bisher noch nicht vorliegen wäre also noch Zeit, hier im Sinne der Kinder umzusteuern. Einmal Nachsitzen im Sinne des Kindeswohls wäre dringend erforderlich.

Man muss aber wohl realistisch anerkennen, dass dies nicht passieren wird.

Der Unterschied zwischen dänischen und deutschen Trennungskindern wird sich in Zukunft daher wohl noch deutlicher darin zeigen, dass dänische Kinder durch das dortige Familienrecht deutlich besser geschützt und unterstützt werden als in Deutschland.

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