5-Faktor-Modell zur Erkennung von Eltern-Kind-Entfremdung

Das 5-Faktor-Modell zur Erkennung einer Eltern-Kind-Entfremdung

Die amerikanische Entwicklungspsychologin Dr. Amy Baker, welche sich seit Jahrzehnten zum Thema Eltern-Kind-Entfremdung (hier als Synonym für Parental Alienation verwendet) forscht, hat sich mit der Frage befasst, wie ein in der Praxis handhabbarer Leitfaden zur Erkennung von Eltern-Kind-Entfremdung aussehen könnte. Sie hat ein für Fachkräfte einfach handhabbares 5-Faktor-Modell entwickelt und dieses über die Jahre wissenschaftlich evaluiert. Im US-Amerikanischen Raum wird es von Gerichten als valides Modell zur Abgrenzung zwischen (induzierter) Eltern-Kind-Entfremdung (Parental Alienation), bei der die Ablehnung eines Elternteils vorwiegend auf die Handlungen des anderen Elternteils zurückzuführen sind und anderem, ablehnenden Verhalten, bei dem die Ablehnung des Kindes auf das Verhalten des abgelehnten Elternteils und objektivierbare Umstände zurückzuführen ist (Estrangement), genutzt.

Beim zutreffen der folgenden fünf Faktoren kann demnach eindeutig von einer induzierten Eltern-Kind-Entfremdung (Parental Alienation) gesprochen werden:

Dabei werden zwei Sichtweisen gegenübergestellt, um eine Abgrenzung zu erlangen:

Sichtweise des bevorzugten Elternteils

Der andere Elternteil ist schlecht/unwürdig und hat sich die Ablehnung des Kindes selbst zuzuschreiben. Ich hatte nichts damit zu tun und sollte nicht für die Lösung dieses Problems verantwortlich sein. Das Kind reagiert rational auf diesen Elternteil aufgrund seiner/ihrer Inkompetenz, seines/ihres mangelnden Engagements in der Beziehung, seines/ihres Missbrauchs, usw.

Sichtweise des abgelehnten Elternteils

Ich war ein guter und liebevoller und engagierter Elternteil mit einer festen Bindung zu meinem Kind. Der andere Elternteil hat Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die die ungerechtfertigte Ablehnung meines Kindes mir gegenüber hervorgerufen haben

Das 5-Faktor-Modell zur Erkennung einer Eltern-Kind-Entfremdung beinhaltet auch zwei Sichtweisen auf die Situation

Das 5-Faktor-Modell zur Erkennung von Eltern-Kind-Entfremdung

Das 5-Faktor-Modell überprüft diese beiden, gegensätzlichen Sichtweisen und basiert auf langjähriger Forschung und Erfahrung. Es berücksichtigt das Verhalten aller Beteiligten. Alle 5 Faktoren müssen vorliegen um festzustellen, dass bei einem den Kontakt verweigerndes Kind eine induzierte Eltern-Kind-Entfremdung (Parental Alienation) vorliegt.

Faktor 1: Das Verhalten des Kindes

Es muss ein den Kontakt oder die Beziehung zum anderen Elternteil ablehnendes Verhalten des Kindes vorliegen.

Nachweis:

Dies ist der Faktor, über den sich meist alle einig sind, dass es einen Bruch in der Beziehung zwischen einem Elternteil und dem Kind gibt. Uneinig sind sie sich meist über die Ursache der Ablehnung.

Faktor 2: Das Vorhandensein einer früheren, positiven Beziehung zwischen dem Kind und dem nun abgelehnten Elternteil

Falls es keine frühere positive Beziehung zum abgelehnten Elternteil gab, kann man nicht von einer induzierten Eltern-Kind-Entfremdung sprechen.

Dies bedeutet, dass unabhängig davon, welche Mängel oder Schwächen der zurückgewiesene Elternteil hat, diese nicht damit zusammenpassen, dass er / sie ein sicherer, liebevoller und präsenter Elternteil bis zum Beziehungsabbruch war.

Nachweis:

Fotos, Videos, Bestätigungen neutraler dritter Personen, welche die liebevolle Beziehung zwischen dem Kind und dem abgelehnten Elternteil bestätigen können, Berichte und Therapieaufzeichnungen die belegen, dass die Beziehung früher gut war.

Faktor 3: Das Fehlen von Vernachlässigung und Missbrauch durch den abgelehnten Elternteil

Während die meisten Kinder selbst einen missbrauchenden Elternteil nicht ablehnen (ganz im Gegenteil), geht man nicht von induzierter Eltern-Kind-Entfremdung aus, wenn ein Kind einen missbrauchenden Elternteil ablehnt, wobei es auch in solchen Situationen entfremdendes Verhalten des betreuenden Elternteils geben kann.

Entfremdung bezieht sich nur auf Situationen der ungerechtfertigten Ablehnung eines Elternteils, und die Kindesmisshandlung würde einen gerechtfertigten Grund darstellen.

Dies bezieht sich nicht auf Vorwürfe, die in Fällen von induzierter Eltern-Kind-Entfremdung sehr häufig vorkommen können, sondern nur auf tatsächliche Feststellungen, dass Missbrauch/Vernachlässigung stattgefunden hat.

Nachweis:

Fehlen von Beweisen für Kinderschutzmaßnahmen, Therapieaufzeichnungen oder Gutachten, welche den Vernachlässigungs-/ Missbrauchsvorwurf ausschließen, Ermittlungen zum Kinderschutz, welche die unbegründeten Behauptungen des bevorzugten Elternteils oder des Kindes aufzeigen.

Aber: was ist, wenn Richter und Fachkräfte trotzdem denken, es könnte ja vielleicht doch passiert sein? In solchen Fällen sollte man die 17 primären Strategien entfremdender Elternteile prüfen.

Faktor 4: Der bevorzugte Elternteil wendet die 17 primären Strategien entfremdender Elternteile an.

Diese 17 Verhaltensweisen zeigen auf, wie entfremdet wird. Wie kann ein Elternteil ein Kind mit einer guten und liebevollen Beziehung zum anderen Elternteil so gegen den anderen Elternteil aufhetzt, dass das Kind falsche Gedanken und Gefühle hat, dass der andere Elternteil unsicher, lieblos und nicht verfügbar sei, wenn dies nicht der Fall ist?

Diese 17 Strategien funktionieren, weil die meisten menschlichen Verhaltensweisen aus unterschiedlichen Sichtweisen betrachtet werden können.

  • Ein Veganer kann ein verrückter Fanatiker mit grenzwertigen Ideen sein oder jemand, der sich gesund ernähren oder den Tieren und dem Planeten etwas Gutes tun will.
  • Ein Elternteil, der nach einer Trennung den Kontakt zu seinem Kind sucht kann als aufmerksam und interessiert oder aber als Stalker dargestellt werden.
  • Ein Elternteil, der sich bei seinem Kind nach einer Trennung nicht meldet kann so gesehen werden, dass er dem Kind den nötigen Raum lässt oder aber, dass er das Kind verstoßen oder aufgegeben hat.

So kann der bevorzugte Elternteil Dinge, die der andere Elternteil wirklich tut, für das Kind als Beweis dafür interpretieren, dass der andere Elternteil unsicher, lieblos und unerreichbar ist. Früher dachten wir, dass der begünstigte Elternteil sich Dinge aus dem Nichts ausdenkt, aber es ist effektiver und wirkungsvoller, Dinge, die wirklich geschehen, so zu verwenden, dass das Kind wirklich Gefühle dafür hat, weil das Kind selbst die Erfahrung gemacht hat, dass die Wut oder Verletzung gegenüber dem zurückgewiesenen Elternteil innerlich und authentisch ist.

Wichtig ist, nicht alle 17 primären Strategien entfremdender Elternteile müssen angewandt oder nachgewiesen werden. Es reichen bereit wenige. Allein die Anwendung dieser Strategien deutet auf entfremdendes Verhalten des bevorzugten Elternteils hin.

Was ist gut, was ist schlecht

Die 17 primären Entfremdungsstrategien des entfremdenden Elternteils sind:

  1. Schlechtreden des abgelehnten Elternteils
  2. Kontaktreduzierung
  3. Störung der Kommunikation zwischen Kind und abgelehnten Elternteil
  4. Verhinderung symbolischer Kommunikation (Dinge, die das Kind positiv an den abgelehnten Elternteil denken lassen wie Fotos etc.)
  5. Liebesentzug
  6. Dem Kind sagen, der andere Elternteil wäre gefährlich
  7. Das Kind zwingen, zu entscheiden
  8. Dem Kind sagen, dass der andere Elternteil es nicht mehr lieben würde
  9. Das Kind bezüglich der Belange der Erwachsenen ins Vertrauen ziehen
  10. Das Kind dazu nötigen, den anderen Elternteil abzulehnen
  11. Das Kind dazu anhalten, den anderen Elternteil auszuspionieren
  12. Das Kind bitten, Geheimnisse vor dem anderen Elternteil zu bewahren
  13. Den anderen Elternteil beim Vornamen und nicht mit „Mama“ oder „Papa“ zu benennen
  14. Einen Stiefelternteil als „Mama“ oder „Papa“ bezeichnen und das Kind dazu auffordern, dies ebenfalls zu tun
  15. Medizinische, schulische oder andere wichtige Informationen vorenthalten, den Namen des abgelehnten Elternteils auf Dokumenten nicht angeben
  16. Den Namen des Kindes ändern, um die Verbindung zum anderen Elternteil zu reduzieren
  17. Abhängigkeiten kultivieren und die Autorität des anderen Elternteils untergraben

Eine Ausführliche Beschreibung der einzelnen Punkte finden Sie unter 17 primäre Entfremdungsstrategien.

Diese 17 Verhaltensweisen

  • schaffen Nähe und Zusammenhalt mit dem Elternteil, der diese Verhaltensweisen anwendet
  • schaffen Distanz zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil
  • schüren einen Konflikt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil

Alle Techniken zielen auf die Unterwanderung der Autorität des anderen Elternteils ab und auf die Deprivation seiner Beziehung zum Kind. Nicht alle Techniken müssen in einem Fall beobachtbar sein. Es kommt darauf an, wie effektiv der entfremdende Elternteil die Techniken einsetzt.

Nachweis:

  • Der / die Ex-PartnerIn würde sagen, dass man dieses oder jenes tun würde
  • Der / die Ex-PartnerIn hat bereits angedeutet, dass er / sie dies tun würden
  • Wenn Kinder Dinge sagen wie „Mama, Papa sagt, Du wärst böse“
  • Wenn man es selbst miterlebt hat
  • Wenn eine vertrauenswürdige, dritte Person bestätigt, dass sie solche Verhaltensweisen beobachtet hat
  • Aufnahmen / Mitschnitte solcher Vorgänge
  • Wenn der Elternteil selbst solche Verhaltensweisen gegenüber dem Kind anführt und bestätigt

Faktor 5: Die 8 Verhaltensmerkmale eines Kindes bei induzierter Eltern-Kind-Entfremdung

Diese 8 Verhaltensweisen sind einzigartig und spezifisch für die induzierte Eltern-Kind-Entfremdung (alle 8 in extremer Ausprägung) und werden so nicht einmal bei Kindern beobachtet, die mäßig oder schwer körperlich missbraucht wurden.

  • Unbegründete Zurückweisungs- und Verunglimpfungskampagnen
  • Absurde Rationalisierungen
  • Fehlen von normaler Ambivalenz
  • Reflexartige Parteinahme für den programmierenden Elternteil
  • Ausweitung der Feindseligkeit auf die gesamte Familie und das Umfeld des zurückgewiesenen Elternteils
  • Das Phänomen der „eigenen Meinung“
  • Verleugnung von Schuldgefühlen über die Grausamkeit gegenüber dem entfremdeten Elternteil
  • Übernahme „geborgter Szenarien“

Nachweis:

  • Aussagen des Kindes in Gerichtsverfahren oder anderen Anhörungen
  • Therapieaufzeichnungen
  • Erklärungen neutraler, dritter Personen
  • Audio- und Videoaufzeichnungen sowie Briefe und Nachrichten von Kindern

Wichtig: Allein aus der Ablehnung eines Elternteils durch ein Kind kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, ob eine Eltern-Kind-Entfremdung vorliegt oder nicht. Es ist wichtig, die der Ablehnung zugrundeliegenden Gründe zu ermitteln. Induzierte Eltern-Kind-Entfremdung kann anhand des 5-Faktor-Modells nachgewiesen werden.

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