Seit Jahren erlebe ich immer wieder dieselbe Situation. Es wird von den Fachkräften Eltern-Kind-Entfremdung erkannt. Die Notwendigkeit zum Handeln nach einem bereits erfolgten Kontaktabbruch besteht ebenso wie die Bereitschaft dazu. Und dann folgt der Moment, in dem alles in sich zusammenbricht.
Es ist der Moment, in dem die Frage gestellt wird, wie es denn praktisch funktionieren soll. Schon diese Frage kann kaum eine Fachkraft beantworten. Und sollte dies doch mal der Fall sein, endet der gute Wille zum Schutz der Kinder spätestens dann, wenn gefragt wird, wer es denn umsetzen soll.
In der Folge werden Kinder häufig dem Schicksal der Entfremdung überlassen. Einem Schicksal, welches sowohl nach fachlicher Einschätzung als auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte emotionale Gewalt an Kindern ist. Ein unhaltbarer Zustand. Denn man kann vergleichsweise einfach Kontaktabbruch überwinden.
Erfolgreiche Lösungen gibt es seit Jahrzehnten
Dies gilt umso mehr, als dass es seit mehr als drei Jahrzehnten zahlreiche Wiedervereinigungsprogramme bei Eltern-Kind-Entfremdung nach bereits erfolgtem Kontaktabbruch gibt. Programme, die von tausenden von Familien durchlaufen und wissenschaftlich umfangreich evaluiert wurden. All diese Programme stammen allerdings aus dem englischsprachigen Raum und sind in Deutschland bestenfalls einer Handvoll Spezialisten bekannt.
Dem Motto von hochstrittig.org folgend, wollen wir einen Missstand nicht nur benennen. Wir wollen auch eine Lösung anbieten. Aus diesem Grund haben wir im Bereich Fachinformationen / Eltern-Kind-Entfremdung eine neue Seite „Wie Wiedervereinigungsprogramme bei Eltern-Kind-Entfremdung funktionieren“ erstellt. Diese liefert Antworten auf das „wie“ und zum Teil auf das „wer“ und ermöglicht es, Kinder zukünftig besser zu schützen.
Ein Handlungsleitfaden auch für Fachkräfte in Deutschland
Auf dieser Seite werden verschiedene Wiedervereinigungsprogramme bei Eltern-Kind-Entfremdung aufgeführt. Auch ein Leitfaden der wesentlichen Elemente solcher Programme ist aufgelistet. Quasi als Handlungsanleitung zum Nachmachen vor Ort.
Es gibt zahlreiche Verweise auf wissenschaftliche Untersuchungen zu solchen Programmen. Es handelt sich nicht etwa um riskante Experimente mit Kindern. Sondern um über Jahrzehnte sehr gut evaluierte Programme mit einer fast 100%igen Erfolgsquote. Davon sind bisher häufig angewandten Versuche zur Überwindung von Eltern-Kind-Entfremdung Lichtjahre entfernt.
Wir erklären auch, weshalb begleiteter Umgang, Erinnerungskontakte, die Herausnahme der Kinder mit Unterbringung in Pflegefamilien oder Heim nicht funktionieren, sondern häufig die Belastung der Kinder sogar noch vergrößern.
Ergänzt werden die Ausführungen mit zahlreichen Praxis-Beispielen und gerichtlichen Entscheidungen, welche zeigen, dass es auch juristisch möglich und erforderlich ist, entsprechende Schritte zur Überwindung von Eltern-Kind-Entfremdung zu gehen.
Aktueller Aufsatz von Dr. Marc Serafin zum professionellen Handeln bei trennungsbedingter Eltern-Kind-Entfremdung
Ganz aktuell beim Schreiben dieses Beitrages kam noch ein Aufsatz des Sozialwissenschaftlers und ehemaligen Jugendamtsleiters, Dr. phil. Marc Serafin herein. Er widmet sich in seinem Aufsatz „Professionelles Handeln bei trennungsbedingter Eltern-Kind-Entfremdung“ dem Thema auf breiter Basis. Aufgegriffen wird dabei auch der gesellschaftliche Diskurs zu diesem oftmals sehr emotional geführten Thema. Dr. Serafin begegnet dem mit Fakten, Wissenschaft und einer Menge praktischer Erfahrung.
Und er widmet sich in einem Absatz auch der Frage, inwiefern in Fällen von Eltern-Kind-Entfremdung dem geäußerten Willen des Kindes gefolgt werden kann und darf. Er liefert damit ein fundiertes Gegengewicht zu der häufig als Ausrede verwendeten Haltung, dass man nicht gegen den Willen des Kindes entscheiden könne. Etwas, was in anderen Konstellationen völlig selbstverständlich gemacht wird, wie er anhand von Beispielen verdeutlicht.
Dr. Serafins Aufsatz ist ein guter Beleg dafür, dass sich auch in Deutschland, wenn auch nur langsam, wieder eine fachliche und wissenschaftliche Debatte zum Thema Eltern-Kind-Entfremdung entwickelt. Eine Debatte, die von gewissen Interessengruppen und auch politischen Richtungen gerne unterdrückt worden wäre.
Als abschließende Empfehlung zu Dr. Serafins Aufsatz weise ich gerne nach darauf hin, dass auch er dort ein praktisches Beispiel aufzeigt, wie man wirklich überall mit einfachen Mitteln eine solche Wiedervereinigung nach Eltern-Kind-Entfremdung durchführen kann. Stichwort Ferienwohnung – aber lesen Sie selbt.
Teilen Sie Ihre Meinung und Erfahrungen!
Wir laden insbesondere Fachkräfte ein, ihre Erfahrungen und Meinungen mit uns zu teilen. Schreiben Sie uns ihre praktischen Erfahrungen auf max. 2 DIN A4-Seiten und senden Sie uns diese an info@hochstrittig.org. Wir werden geeignete Fälle dann auf der Themenseite mit zur Verfügung stellen. Auch wenn Sie Fragen, Sorgen oder Bedenken bezüglich der Umsetzung haben sollten, senden Sie uns diese zu. Nur aus einem möglichst breiten Dialog, der sich mit Chancen, Hindernissen und Risiken auseinandersetzt, kann eine Weiterentwicklung der fachlichen Debatte erfolgen. Dazu laden wir Sie herzlich ein.