Stellungnahme zu den Eckpunkten der Reform im Kindschaftsrecht und Abstammungsrechts

Im Januar 2024 veröffentlichte das Bundesjustizministerium (BMJ) Eckpunktepapiere zur Reform des Kindschaftsrechts und des Abstammungsrechts. Wir haben dazu Stellung genommen und fassen hier die wesentlichen Aussagen kurz zusammen.

Unsere vollständige Stellungnahme inkl. Beispielen und weiteren Nachweisen steht nachfolgend zum Download zur Verfügung. Enthalten sind auch Vorschläge, wie Kindschafts- und Abstammungsrecht sinnvoll, grundrechtskonform und vor allem deeskalativ ausgestaltet werden könnten.

Wir laden hier gerne zum Feedback, Austausch und (konstruktiver) Kritik ein.



Dort, wo der Staat tatsächlich gebraucht wird, bei den wirklich strittigen Trennungen, unter denen Kinder zerrieben und meist lebenslang geschädigt werden, entzieht er sich erneut seiner Verantwortung.

Reformwirkung: Mehr Streit!

Die skizzierten Reformen stehen in trauriger Tradition ihrer Vorgänger aus den Jahren 1998 und 2008. Sie wird wieder mehr Streit produzieren. Dies lässt sich am Beispiel der Umgangsverfahren einfach ablesen. 1997 waren es noch rund 22.000, sprangen nach der Reform 1998 auf rund 34.000 und nach der 2008er-Reform auf rund 55.000, wo sie seither stabil verharren. Man sollte annehmen, dass diese Steigerung um 150% den Gesetzgeber zu einem dringenden umsteuern bewegt. Davon ist allerdings nichts zu erkennen.

Meine Prognose: die skizzierten Reformen werden allein beim Umgangsrecht eine erneute Explosion der Verfahrenszahlen auf mind. 75.000 Verfahren nach sich ziehen. Hinzu werden höhere Verfahrenszahlen in anderen Bereichen kommen. Dies bedeutete mehrere 100 Millionen EUR an Kosten für getrennte Eltern. Geld, was nicht zur Versorgung der Kinder zur Verfügung steht.

Reform im Kindschaftsrecht und Abstammungsrecht - mehr Streit

Familiengerichte bereits massiv überlastet, Jugendhilfe ist bereits kollabiert

Diese Eltern und Kinder treƯen auf bereits jetzt überforderte, überlastete und unterqualifizierte Familiengerichte. Die Jugendhilfe ist da schon einen dramatischen Schritt weiter. In vielen Fällen ist sie bereits kollabiert, wie erst vor wenigen Tagen eine Erhebung wieder einmal feststellen musste. Anstatt Maßnahmen zur Stärkung des Kinderschutzes zu ergreifen, wird dieser weiterhin ausgehöhlt.

Die einzigen, die von dieser Entwicklung profitieren, sind auf Profitmaximierung ausgerichtete Anwälte und weitere Professionen, welche am Streit der Eltern verdienen. Anwälte, die im Sinne der Kinder und Familien deeskalieren wollen, stehen so häufig auf verlorenem Posten. Viele haben dem Familienrecht aus diesem Grund bereits den Rücken gekehrt.

Das Familienrecht wird zunehmend den „Kriegstreibern“ überlassen, während die Friendsstifter frustriert abziehen.

Im Silo entwickelt: Wechselwirkungen mit anderen Rechtsbereichen ungenügend
berücksichtigt

Die bisherigen Reform-Eckpunkte werden sorgsam in Silos entwickelt. Unterhaltsrecht,
Kindschaftsrecht, Abstammungsrecht, Strafrecht etc. Dabei hat jede Änderung in dem einen Rückwirkungen auf den anderen Bereich. Ein trauriges Beispiel dafür war die Unterhaltsreform 2008. Man änderte nur den Unterhalt, aber der Streit explodierte im Kindschaftsrecht.

Familien und besonders deren Kinder haben ein Recht, dass nach Jahrzehnten der zunehmenden Eskalation, der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum endlich einmal ihnen zugutekommt.

Empfehlungen der Expertenkommission sind „verschwunden“

Bereits 2019 hatte eine Expertenkommission im Auftrag des Bundesjustizministeriums (BMJ) 50 Thesen zur Reform des Kindschaftsrechts verfasst. Diese Thesen sind von den Seiten des BMJ „verschwunden“, wir haben sie auf unserer eigenen Intrastruktur nun wieder sichtbar gemacht.

Dies weckt traurige Erinnerungen z.B. an die sog. „Proksch-Studie„, die 2002 bereits ähnlichen, gesetzgeberischen Handlungsbedarf wie die Experten 2019 anmahnten. In unserer Stellungnahme zeigen wir daher auch auf, an welchen Stellen die Eckpunkte von den Experten-Empfehlungen abweichen.

Abstammungsrecht wird immer weiter ideologisiert

Was die Eckpunkte zum Abstammungsrecht betrifft, ist erkennbar, dass hier insbesondere politischen / ideologischen Interessen gefolgt wird. Grund-, Menschen- und vor allem Kinderrechte sind völlig aus dem Blick geraten.

Kinder sollen wieder zum reinen Objekt erwachsener Wünsche werden. Ihre in der UN-
Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte als eigenes Rechtssubjekt werden vollständig ignoriert. Vereinzelte Fehler in der rechtlichen Zuordnung der genetischen Abstammung, die bei Bekanntwerden bisher korrigiert wurden (Vaterschaftsanfechtung), sollen für lesbische Ehepaare zum Normalfall und
Abstammung damit völlig beliebig werden.

Für alle anderen, nicht-lesbischen, Konstellationen soll es hingegen bei der grundrechtskonformen Orientierung an der genetischen Abstammung bleiben. Dies führte zwangsläufig zu neuen Diskriminierungen und kognitiven Dissonanzen in den Argumentationslinien der Eckpunkte.

Was im Abstammungsrecht geplant wird, ist nicht weniger als der größte
Rückschritt in der Geschichte der Kinderrechte in Deutschland.

Fazit

Die von Justizminister Buschmann angekündigte, größte Reform im Familienrecht seit Jahrzehnten hält für diejenigen, die den Schutz des Gesetzgebers am nötigsten hätten, nämlich die Kinder streitender Eltern, so gut wie nichts bereits. Damit ist diese Reform vor allem ein Armutszeugnis für den Gesetzgeber und verdeutlich wieder einmal, dass das Wohlergehen von Kindern nicht im Fokus gesetzgeberischer Bestrebungen steht.

Wohl eher aus ideologischen Gründen wird auch weiterhin die partnerschaftliche Wahrnehmung der Elternvereinbarung gesetzgeberisch behindert, sei es bei noch immer nicht ab Geburt bestehenden Sorgerecht nicht ehelicher Väter oder der wohl geplanten Bevorzugung des Residenzmodells. Beim Thema Gewaltschutz sind schon bisher alle notwendigen Instrumente vorhanden, um diesen zu gewährleisten. Wenn der Gesetzgeber an der Stelle nicht sehr genau aufpasst, dann werden wir vermtulich kurz nach der Reform eine Explosion falscher Gewaltvorwürfe im Kindschaftsrecht erleben. Fälle wie die in unseren Faktenchecks wären dann wohl an der Tagesordnung.


Die Bewertung der Reformvorschläge in Kurzform

Eingangs soll aufgezeigt werden, welche wesentlichen Punkte nicht berücksichtigt wurden. Was nicht da ist, wird gerne übersehen. Daher legen wir hierauf den Fokus, denn genau dort könnte für den Kinderschutz und die Deeskalation etwas getan werden.

Was den Reformvorschlägen zum Kindschaftsrecht fehlt

  • Fehlende Stärkung der elterlichen Eigenverantwortung und Kooperationsbereitschaft
  • Keine verpflichtende Beratung / Mediation vor Einleitung familiengerichtlicher Verfahren
  • Keine Schaffung einer eigenen Familiengerichtsbarkeit mit der notwendigen Aufwertung des Familienrechts, welches häufig nur lästige Durchgangsstation in der juristischen Laufbahn ist
  • Keine Schaffung eines umfassenden „Kindschaftsverfahrens“, welches Sorgerecht, Umgangsrecht und Unterhaltsrecht in ein Verfahren zusammenfasst
  • Fehlende Umsetzung der einstimmig angenommenen Resolution 2079(2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur deeskalativen Ausgestaltung familiengerichtlicher Verfahren und der Einführung eines Leitbildes der Doppelresidenz (Wechselmodell) in den 47 Mitgliedsstaaten
  • Keine Maßnahmen zur Verhinderung von nicht kindeswohldienlichen Kontaktabbrüchen
  • Fehlender Wechsel auf die deeskalierende „negative Kindeswohlprüfung“
  • Statt Umgang sollte es bei Eltern nur noch „Betreuung“ heißen
  • Fehlende Entlastung für ungewollt alleinerziehende
  • Fehlende Aufhebung der Trennung von Sorge- und Umgangsrecht
  • Fehlende Abschaffung der §1671 und §1684 BGB oder zumindest deren grundlegender Reform

Nachfolgend werde ich die einzelnen Reformvorhaben hier in Kurzform bewerten. Um die Bewertung vollständig zu erfassen und nachvollziehen zu können, verweise ich auf die ausführliche Stellungnahme, welche konkrete Beispiele enthält und auch Vorschläge macht, wie z.B. die gesetzliche Ausgestaltung sinnvoll geregelt werden könnte.


Kurzbewertung zu den Eckpunkten der Reform im Kindschaftsrecht

Die Eckpunkte des Bundesjuszitminiteriums zur Reform im Kindschaftsrecht können hier nachgelesen werden. Nachfolgend unsere Kurz-Bewertung der einzelnen Vorhaben.

1. Mehr Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf das elterliche Sorgerecht

Die Vorschläge erscheinen unnötig und mit erheblichem Missbrauchspotential, welches vorhersehbar zu mehr Streit führen wird. Ein gerichtlicher Zustimmungsvorbehalt muss erhalten bleiben, um die Interessen des Kindes zu wahren. Denn vorrangig handelt es sich um eine SorgePFLICHT gegenüber dem Kind, der sich Erwachsene nicht ohne weiteres entledigen können.

2. Kleines Sorgerecht: Vereinbarung der Eltern mit Dritten über sorgerechtliche Befugnisse

Eine grundsätzlich sinnvolle Anpassung an die Lebensrealitäten von Eltern, die aber auf Personen in häuslicher Gemeinschaft beschränkt werden sollte.

3. Vollstreckbare Vereinbarungen über das Umgangsrecht zwischen den Eltern

Eine sinnvolle Vereinfachung, welche zur Deeskalation beitragen kann. In der Ausgestaltung sollten Eltern Mustervorlagen aus Unterstützung angeboten werden, um auch zu tatsächlich vollstreckbaren Vereinbarungen zu kommen. Auf überzogene, formale Anforderungen zur Vollstreckbarkeit sollte verzichtet werden.

4. Vereinbarungen über das Umgangsrecht mit Dritten

Solange die Vereinbarungen, wie im Entwurf vorgesehen, nicht vollstreckbar sein sollen, ist die Regelung wertlos. Sie birgt die Gefahr, dass Umgangsrecht des genetischen Vaters auszuhebeln und diesen zu benachteiligen. Dies zeigt sich insbesondere an der gesetzlichen Differenzierung zur Vollstreckbarkeit des Umgangsrechts zwischen Eltern.

5. Erklärung über den Verzicht auf gesetzlichen Umgang

Eine Kinderrechts-, Grundrechts- und Menschenrechtswidrige Regelung, welche ausschließlich den Interessen einzelner Interessengruppen dienen soll und daher vollumfänglich abgelehnt werden muss.

6. Gemeinsames Sorgerecht von nicht mit der Mutter verheiratetem Vater bei gemeinsamem Wohnsitz

Die vorgeschlagene Regelung ändert nichts an Status Quo. Die gemeinsame Sorge ab Vaterschaftsanerkennung ist überfällig. Dafür sprach sich auch die Expertenkommission des BMJ aus – einstimmig.

Die Widerstände gegen die gemeinsame Sorge entbehren jeder Grundlage und sind nur noch ideologisch und zur Befriedigung radikaler Interessengruppen erklärbar. Die ungerechtfertigte Diskriminierung nichtehelicher Väter sollte beendet werden. Rund 27.000 Verfahren pro Jahr könnten allein dadurch verhindert werden.

7. Partnerschaftliche Betreuung nach einer Trennung

Entgegen der Überschrift plant der Gesetzgeber vor allem Regelungen, welche partnerschaftliche Betreuung behindern. Hier muss dringend nachgebessert werden, wenn man das verkündete Ziel tatsächlich anstreben und nicht nur Etikettenschwindel betreiben will.

Gesetzliche Regelung des Wechselmodells

Die Planungen sehen vor allem eine erstmalige Vorrangstellung des Residenzmodells vor, welche sowohl aus grundrechtlicher Sicht als auch aus Perspektive des Kindeswohls abzulehnen ist. Es ist völlig unverständlich, weshalb der Gesetzgeber hier noch hinter die Rechtsprechung des BGH zurückfallen will.

Die einstimmige Forderung aus der Resolution 2079(2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates nach Einführung des familienrechtlichen Leitbildes des Wechselmodells wird von Deutschland, im Gegensatz zu anderen, europäischen Staaten, weiterhin ignoriert.

Wechselmodell als Gegenstand der Beratung

Ein sinnvoller Bezug zum SGB, der aber auch heute schon Bestandteil von Beratungen sein sollte. Um ungewolltes Alleinerziehen zu verhindern, sollte auch die Frage gestellt werden, mit welcher Berechtigung ein Elternteil der Meinung ist, seinen gleichen Anteil an der Betreuung der Kinder nicht zu übernehmen.

Rechtliche Rahmenbedingungen, z.B. zum Unterhaltsrecht, verhindern aufgrund kindeswohlfremder Fehlanreize eine ergebnisoffene Beratung. Beispiele hierzu sind in der Stellungnahme aufgeführt.

Alleinentscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens

Die Klarstellung ist zu begrüßen.

Umgangspflegschaft zur Vermeidung von Hochkonfliktfällen

Eine praktische Relevanz wird nicht gesehen, insbesondere nicht zur Vermeidung von Hochkonfliktfällen. Als freiwillige Leistung wäre es eher im Bereich des SGB und der Hilfen zur Erziehung anzusiedeln.

Verteilung der Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts

Eine positive Änderung zur Stärkung des Umgangsrechts und der Übernahme von Verantwortung für elterliches Handeln, bei der es auf die genaue Formulierung im Gesetzesentwurf ankommen wird. Es sollte der Grundsatz gelten, dass derjenige die Kosten zu tragen hat, der die Ursache dafür geschaffen hat.

8. Schutz vor häuslicher Gewalt bei Sorge und Umgang

Die Stärkung der Ermittlungskompetenz ist zu begrüßen. Das regelhafte Vorwegnehmen des Ergebnisses im Gesetz geht allerdings in die falsche Richtung. Ein besonderes Augenmerk muss auch auf falsche Gewalt- und Missbrauchsvorwürfe gelegt werden, welche im Kindschaftsrecht häufig als Waffe eingesetzt werden. Die Betrachtung muss geschlechtsneutral erfolgen und Maßnahmen müssen Folge nachgewiesener Gewalt sein. Allein ein Gewaltvorwurf reicht nicht aus.

Ich empfehle, die Strafermittlungsbehörden verpflichtend in Verfahren mit Gewaltbezug einzubeziehen und Kompetenzen zu bündeln, um zügig eine valide Entscheidungsgrundlage zu erhalten.

9. Stärkung der Kinderrechte

Die Stärkung der Kinderrechte ist grundsätzlich zu begrüßen. Insbesondere in Bezug auf die Stärkung des Umgangsrechts für Großeltern, Geschwister und weitere für das Kind wichtige Bezugspersonen.

Positiv ist auch, dass der Begriff Kindeswohl erstmals gesetzlich ausgestaltet werden soll. Eine Anlehnung an die seit über zehn Jahren existierende, österreichische Regelung wären einem deutschen Sonderweg vorzuziehen.

Die Stärkung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung setzt aus meiner Sicht noch immer deutlich zu spät an. Die Rechte des Kindes, zu denen auch ein Recht auf Betreuung durch beide leiblichen Elternteile zählt, gelten ab Geburt. Hier wäre der Staat in der Pflicht, für die Verwirklichung der Kinderrechte einzustehen, wenn die Eltern dies nicht gewährleisten.

Die Erweiterung der Mitentscheidungsbefugnisse ab dem 14. Lebensjahr im Rahmen der benannten Konstellationen erscheint zweckmäßig. Sorgen bezüglich der Gefahr der Instrumentalisierung von Kindern besteht in hochstrittigen Fällen. Hier darf der Kinderschutz nicht mit dem 14. Lebensjahr enden.

10. Umgangsrecht leiblicher Elternteile und Anwendung auf Adoption

Die geplante Erweiterung des §1686a BGB ist sinnvoll. Für einen wirksamen Umgangsverzicht, wie er in den FAQ erwähnt wird, besteht aus meiner Sicht keine rechtliche Grundlage.

11. Weitere Änderungen im Kindschaftsrecht

Die Definition der Inhalte der Personensorge scheint sachgerecht. Eine Bewertung wird erst möglich sein, wenn entsprechende Inhalte vorliegen.

Die Absenkung des Abänderungsmaßstabes des §1696 BGB ist, vorbehaltlich seiner konkreten Ausgestaltung, zu begrüßen.

12. Systematische Neufassung des Kindschaftsrechts

Es bestehen keine Bedenken, aber der Wunsch, dass der Anspruch an Eltern, Versuche zu unternehmen, sich zu einigen, deutlicher und nachdrücklicher betont wird.

13. Änderungen im Adoptionsrecht

Die Erweiterung, eine Adoption auch nicht verheirateten Paaren zu ermöglichen, ist zu begrüßen. Die Möglichkeit der Adoption lediglich durch einen Ehegatten ist hingegen nicht sinnvoll und steht im Widerspruch zur sonstigen Argumentation, welche die Notwendigkeit der Zuordnung zweier rechtlicher Elternteile betont.


    Kurzbewertung zu den Reform-Eckpunkten im Abstammungsrecht

    Die Reform-Eckpunkte des Bundesjustizministeriums zur Reform des Abstammungsrechts können hier nachgelesen werden. Nachfolgend unsere Kurzbewertung der Reformvorschläge.

    Es gibt einige überfälligen Detailverbesserungen, die eine falsche, rechtliche Zuordnung der Abstammung eines Kindes korrigieren und die zutreffende, genetische Abstammung herstellen. Dies ist zu begrüßen. Die Chance, erstmals ein echtes Abstammungsrecht zu schaffen, welches ohne Vermutungen und Fehlzuordnungen auskommt, wurde leider noch nicht genutzt. Stattdessen wird das Abstammungsrecht immer weiter verkompliziert, statt vereinfacht.

    Es wird aufgrund politischer Versprechen die Regelung der Mit-Mutterschaft geplant. Abgekoppelt von jeglicher genetischen Komponente. Hier werden Abstammung und soziale Elternschaft vermischt und Diskriminierungen, z.B. nichtehelicher Väter oder schwuler Paare, sollen ins Gesetz geschrieben werden.

    Bedient werden ausschließlich Bedürfnisse und Interessen von Erwachsenen. Die Rechte der Kinder werden im Entwurf überhaupt nicht berücksichtigt. Diese stehen solch ideologischen Vorhaben im Wege.

    Die Eckpunkte zum Abstammungsrecht sind vor allem eines: der bisher vermutlich größte Rückschritt in der Entwicklung der Kinderrechte. Denn statt ihre Subjektstellung mit eigenen Rechten zu verteidigen und zu fördern werden Kinder mit diesem Entwurf zu reinen Subjekten erwachsener Wunschvorstellungen.

    3. Erleichterung der Erlangung der rechtlichen Vaterschaft für den leiblichen Vater

    Die Änderung ist zu begrüßen und lange überfällig. Das ursprüngliche Hilfskonstrukt der rein rechtlichen Elternschaft ist angesichts der diagnostischen Fortschritte heutzutage nicht mehr erforderlich. Der Gesetzgeber ist nach hiesiger Überzeugung zur Umsetzung und Wahrung der Kinderrechte schon seit Jahrzehnten gehalten, die Möglichkeiten eines Auseinanderfallens von rechtlicher und genetischer Elternschaft weitestgehend zu verhindern und vor Missbrauch zu schützen.

    4. Anfechtung der Elternschaft

    Abstammung ist nicht anfechtbar. Sie kann zuverlässig mit diagnostischen Methoden festgestellt und eine vorherige, falsche Zuordnung korrigiert werden. Die vorgesehenen Änderungen auch im Zusammenhang mit der geplanten Einführung der Mit-Mutterschaft verkomplizieren das Abstammungsrecht nur noch weiter und entkoppeln sich zunehmend vom Grundsatz, dass eine Anfechtung notwendig ist, wenn der falsche genetische Elternteil rechtlicher Elternteil wurde.

    5. Erklärung des Nichtbestehens der Elternschaft des Ehegatten der Geburtsmutter

    Der grundsätzlich gute Ansatz ist leider „deutsch-kompliziert“ ausgestaltet. Anstatt das nachgewiesen wird, dass ein Mann nicht der genetische Vater ist, wäre es sinnvoller, die Vaterschaft des anderen Mannes nachzuweisen und so zwei Schritte auf einmal zu gehen, wenn beide „Väter“ bekannt sind.

    1. Mutterschaft einer weiteren Frau und Eintrag der Elternschaft im Personenstandsregister

    Aus der dem Abstammungsrecht zugrundeliegenden Vermutung, dass der Ehemann der Geburtsmutter auch genetischer Vater ist, kann keine Diskriminierung der Ehefrau der Geburtsmutter hergeleitet werden. Denn auf diese kann diese Vermutung unter keinen Umständen zutreffen und ist biologisch ausgeschlossen. Hierauf wird in der ausführlichen Stellungnahme mit weiteren Nachweisen vertieft eingegangen.

    Eine solche Sonder-Regelung für lesbische Paare würde allerdings ihrerseits eine Diskriminierung darstellen:

    • Biologischer Väter der Kinder eines lesbischen Paares, welche keine Möglichkeit hätten, die rechtliche Mit-Mutterschaft anzufechten, da es hier keinen Irrtum geben kann
    • Rechtlicher, aber nicht leiblicher Väter, deren Vaterschaft durch den biologischen Vater angefochten werden kann
    • Schwuler Paare, bei denen ebenfalls ein Partner leiblicher Elternteil des Kindes ist und bei denen der Ehemann nicht automatisch in die zweite Stelle der Abstammung des Kindes eintreten könnte.

    Der Gesetzgeber wäre hier gut beraten, die seit fast drei Jahren ausstehende Entscheidung des BVerfG abzuwarten, bevor er hier eine mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrige gesetzliche Regelung schafft. Zudem ist Abstammung nicht beliebig, sondern genetisch (Blutsverwandtschaft) und eindeutig feststellbar.

    2. Elternschaftsvereinbarungen

    Eine rechtssichere Bestimmung der Abstammung ist durch pränatale Vaterschaftstests bereits heute problemlos und auch risikoarm möglich. Eine beliebige Zuordnung von „Elternstellen“ aufgrund des Wunsches von Erwachsenen entspricht nicht den zu schützenden Rechten der Kinder und wird daher abgelehnt (siehe Ausführungen zu 1)

    6. Bekämpfung missbräuchlicher Anerkennung der Vaterschaft und der Mitmutterschaft sowie von missbräuchlichen Elternschaftsvereinbarungen

    Missbräuchliche Anerkennungen lassen sich durch Vorlage eines positiven Abstammungsgutachtens vermeiden. Bei sachgemäßer gesetzgeberischer Ausgestaltung des Abstammungsrechts braucht es solche Regelungen nicht. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.

    7. Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung

    Ein rein statusunabhängiges Verfahren erscheint wenig sinnvoll. Denn es geht nicht nur um die Kenntnis der Abstammung, sondern auch aus die sich daraus ergebenden weiteren Konsequenzen, Rechte und Pflichten. Eine falsche Zuordnung eines Elternteils ist zu korrigieren, wenn diese festgestellt wird.

    Die Erweiterung des Samenspenderregisters ist zu begrüßen.

    8. Sonstige Punkte

    Die Anerkennung der Mit-Mutterschaft ist wie zuvor ausgeführt, aus hiesiger Sicht im Abstammungsrecht nicht möglich. Hier wären Regelungen im Kindschaftsrecht zu treffen, wie soziale Elternschaft auch homosexueller Paare unter Einbeziehung des zweiten, leiblichen Elternteils und unter Respektierung der Rechte des Kindes gelebt werden kann.

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