Kommunikation und Kooperation hochstrittiger Eltern beflügeln

Es ist der Klassiker in hochstrittigen Verfahren: „Die Eltern können nicht kommunizieren“. Zu lesen in unzähligen Berichten, Gutachten, Gerichtsbeschlüssen. In den allermeisten Fällen scheitert Kommunikation aber nicht am Können, sondern am Wollen. Leider wird dies zu selten hinterfragt, sondern widerspruchslos hingenommen. Dabei ist es ganz einfach, die Kommunikation und Kooperation hochstrittiger Eltern zu beflügeln.

Kommunikation und Kooperation kann bei hochstrittigen Eltern ganz einfach beflügelt werden


Bitte differenzieren!

Der erste Schritt ist, zu differenzieren, welcher Elternteil wie kommuniziert und kooperiert. Denn es sind nicht „die Eltern“.

  • Der Vater hat Fähigkeiten und zeigt Bereitschaft / oder nicht
  • Die Mutter hat Fähigkeiten und zeigt Bereitschaft / oder nicht

Der zweite Schritt ist zu differenzieren, ob jeder Elternteil überhaupt die Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation hat oder nicht. Dies lässt sich im Gespräch und Miteinander, auch in Abwesenheit des jeweils anderen Elternteils, recht einfach erkennen. Fehlt es einem Elternteil bereits an der Fähigkeit, wird dieser solch wichtige Kompetenzen auch seinen Kindern nicht vermitteln können. Die Förderkompetenz dieses Elternteils wäre damit erheblich eingeschränkt.

Meist mangelt es an der Bereitschaft, nicht der Fähigkeit

Meist mangelt es aber lediglich an der Bereitschaft. Grund hierfür kann eine noch immer bestehende Verstrickung im Paar-Konflikt sein. Häufig ist es jedoch eine bewusste Verfahrenstaktik.

ICH verweigere mich der Kommunikation und Kooperation und trage bei Gericht vor, dass „die Eltern“ nicht kommunizieren und kooperieren“ könnten. Aus diesem Grund wäre MIR das Sorgerecht zu übertragen oder aber der andere Elternteil in seiner Betreuungszeit zu begrenzen. Denn durch diese mangelnde Kommunikation und Kooperation wären die Kinder ja so belastet.

Es verwundert mich immer wieder, dass ein solch bewusstes, die Kinder belastendes und schädigendes Verhalten vor Gericht so häufig Erfolg hat und auch von Verfahrensbeiständen, Jugendämtern und Sachverständigen mitgetragen wird.

Ein kontinuierlicher Missbrauch spricht nicht für diesen Elternteil

In solchen Fällen wird häufig mit „Kontinuität“ argumentiert. Ein kontinuierlicher Missbrauch der elterlichen Verantwortung und des Kindeswohls kann keine Grundlage für eine Entscheidung zugunsten des verweigernden Elternteils sein.

Die Anforderungen des Gesetzgebers an Eltern

Der Gesetzgeber hat an Eltern sehr klare Anforderungen gestellt. Umso unverständlicher ist es, dass auf diese in der Praxis nicht viel häufiger hingewiesen wird.

„Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.“

§1627 BGB

Wie diese Versuche, sich zu einigen, aussehen sollten, wurde 2013 sogar noch konkretisiert:

„Beide Elternteile sind aufgerufen zu lernen, „ihre persönlichen Konflikte, die auf der Paarebene zwischen ihnen bestehen mögen, beiseite zu lassen und um des Wohls ihres Kindes willen sachlich und, soweit das Kind betroffen ist, konstruktiv miteinander umzugehen. Sie sind mithin gehalten, sich um des Kindes willen, notfalls unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe von außen, um eine angemessene Kommunikation zu bemühen. …

Auch schon manifest gewordene Kommunikationsschwierigkeiten rechtfertigen für sich genommen nicht per se eine Ablehnung der gemeinsamen Sorge, da von den Eltern zu erwarten ist, dass sie Mühen und Anstrengungen auf sich nehmen, um im Bereich der elterlichen Sorge zu gemeinsamen Lösungen im Interesse des Kindes zu gelangen.“

BT Drucks 17/11048

Es mangels nicht an Anforderungen an Eltern. Diese müssen in der Praxis nur eingefordert werden.

Wer kommuniziert und kooperiert, kann dem Kind diese Fähigkeiten vermitteln

Dazu gehört auch, einem sich verweigernden Elternteil zu verdeutlichen, dass seine Verweigerung dazu führen kann, dass das Sorgerecht auf den anderen Elternteil übertragen und er in seiner Betreuungsverantwortung eingeschränkt werden könnte. Nicht, um ihn zu bestrafen, sondern um dem Kind die Möglichkeit zu geben, kommunikative Fähigkeiten und Konfliktlösungsstrategien für sein späteres Leben zu erlernen. Kinder zu sozialen, fähigen und eigenständigen Menschen zu erziehen ist schließlich Aufgabe der Eltern. Ist einer dazu nicht bereit, muss halt der andere Elternteil diese Verantwortung übernehmen.

Klare Einordnung aus der Familienrechtspsychologie

Für Gerichte wäre eine solche Entscheidung mehr als einfach zu begründen. Schließlich hat die Familienrechtspsychologie hier bereits sehr klar definiert, woran sich unter Berücksichtigung des Wohles des Kindes gerichtliche Entscheidungen orientieren sollten:

„Muss letztlich die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil geprüft werden, stellt sich die Frage der Kooperationsfähigkeit nochmals. Nun geschieht dies allerdings unter dem Gesichtspunkt, ob Unterschiede in der Kooperationsfähigkeit und –bereitschaft zwischen den Elternteilen erkennbar sind. In Abwägung mit anderen Sorgerechtskriterien hat der Elternteil Vorteile, die Alleinsorge zu erhalten, der Konflikt vermeidend wirkt, den Konsens sucht oder Schritte zur positiven Veränderung einleitet.

Dettenborn & Walter, Familienrechtspsychologie, 3. Auflage 2016, Kap. 4.4.6

Jeder Elternteil kann für sich entscheiden

Natürlich kann man keinen Elternteil zwingen, zu kooperieren oder zu kommunizieren. Jeder hat das Recht, sich dem zu verweigern. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass mit einem solchen Verhalten dem eigenen Kind wichtige Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten genommen werden. Genau dies ist der Punkt, der bei einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung durch das Familiengericht berücksichtigt werden muss. Und es ist der Punkt, der gegen einen verweigernden Elternteil spricht.

Jeder kann an sich arbeiten

Jeder kann selbst entscheiden, seine elterliche Verantwortung gegenüber seinen Kindern auch wahrzunehmen. Sollte es an den Fähigkeiten mangeln, kann jeder Elternteil an diesen zu arbeiten. Das ist auch die Anforderung, die der Gesetzgeber an Eltern stellt. Familienberatung, Therapeuten, Mediatoren oder Kurs wie z.B. „Kinder im Blick“ können hilfreich sein. Diese tragen auch dazu bei, für die Zukunft zu lernen, wie man weitere Probleme und Streitpunkte lösen und so wieder Eigenverantwortung übernehmen kann.

Gerichtsentscheidungen können das nicht. Dort wird über die Eltern entschieden, nicht von ihnen.

Verweigerung hat Konsequenzen

Wer sich der Kooperation und der Kommunikation verweigert, muss sich daher im Klaren sein, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung sorgerechtliche Kompetenzbereiche und auch Teile der Betreuungszeit der Kinder zu verlieren. Es liegt damit in der Verantwortung jedes Elternteils selbst, inwiefern er seine Fähigkeiten nutzt und die Bereitschaft zur Wahrnehmung seiner Elternschaft zeigt.

Eltern in die Verantwortung nehmen

Wenn Sie die vorstehenden Ausführungen Eltern glaubhaft vermitteln, bei denen Kommunikations- und Kooperationsprobleme vorgetragen werden, werden sie feststellen, dass sich bei den meisten als „hochstrittig“ eingeschätzten Eltern innerhalb kürzester Zeit selbst länger bestehende Kommunikations- und Kooperationsdefizite in Luft auflösen. Um dies zu unterstützen, habe ich ein 2-seitiges Handout „Hinweise für Eltern bei Kooperations- und Kommunikationsproblemen“ erstellt. Geben sie diese allen strittigen Eltern an die Hand. Frühzeitig. Sorgen Sie dafür, dass für den Fall, dass sich ein Elternteil auch in Kenntnis dieser Umstände weiterhin verweigert, konsequent im Sinne einer bestmöglichen Förderung des Kindes auch im Sinne der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft gehandelt wird.

Verfahrenstaktischer Hochstrittigkeit aktiv entgegentreten

Solange Fachkräfte, Jugendamt und Familiengericht weiter klaglos die Floskel „die Eltern können nicht kommunizieren“ hinnehmen und nicht differenzieren, werden sie verfahrenstaktische Hochstrittigkeit weiter aktiv fördern und damit zum Teil des Problems werden.

Werden Sie zum Teil der Lösung. Stellen Sie Eltern eine ganz einfache Frage:

„Was tragen Sie selbst zu einer gelingenden Kommunikation und Kooperation bei?“

Die Antworten sollten dann auch zu den Taten passen. Denn eines sollte gerade in hochstrittigen Fällen nicht übersehen werden:

„Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, (er)findet Gründe“


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