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hochstrittig.org Newsletter 2 / Juli 2021 Online betrachten
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Das letzte halbe Jahr war für uns vor allem durch Austausch gekennzeichnet. In vielen Webinaren, die über den Väteraufbruch für Kinder e.V. veranstaltet wurden, traten wir in den Austausch mit Eltern und Fachkräften. Viele Aha-Momente gab es dabei, aber auch Unsicherheit oder Unkenntnis, wie mit Situationen umzugehen ist.

Gerade viele Fachkräfte sahen sich hochstrittigen Auseinandersetzungen nahezu hilflos ausgeliefert oder dachten an Wege, die letztlich häufig doch zu einer Verschärfung des Streits beitragen würden. Dies hat uns dazu motiviert, die häufigsten verfehlten Lösungsansätze in hochstrittigen Verfahren zu aktualisieren. Es wird aber weiterhin viel Arbeit erfordern, hier aufzuklären, damit sich vor allem erfolgreiche Lösungsansätze in der Praxis etablieren. Auch auf diese werden wir in Zukunft verstärkt eingehen.

Auch zum Thema Eltern-Kind-Entfremdung gab es neue Erkenntnisse. Wir haben die Entscheidung des EGMR gegen Moldavien kommentiert und in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Diese sagt sehr deutlich, dass staatliche Stellen eine Handlungspflicht haben, um Eltern-Kind-Entfremdung zu verhindern und sie müssen dafür alle zumutbaren Maßnahmen unternehmen. Eine sehr deutliche Anforderung, die der EGMR hier stellt. Eine Anforderung, welche auch Behörden in Deutschland, namentlich Jugendamt und Familiengericht, viel zu selten gerecht werden. Erstmals wurde mit dieser Entscheidung Eltern-Kind-Entfremdung auf europäischer Ebene als psychische Kindesmisshandlung anerkannt.

Das die Gesetze ausreichend sein können und trotzdem durch staatliche Stellen Entfremdung nicht verhindert, sondern gefördert wird und die Menschenrechte verletzt werden, darauf wies der EGMR in einer Top-aktuellen Entscheidung gegen Italien hin. Die Behörden würden die Gesetze einfach ignorieren und nicht anwenden. Hier muss der Staat aber dafür Sorge tragen, dass diese auch angewandt werden.

Das Ignorieren von Gesetzen und Rechtsprechungen des EGMR hat leider auch in Deutschland eine lange Tradition. Erstmals wurde dies nun auch im Rahmen einer Individualbeschwerde zur UN-Kinderrechtskonvention gegen Deutschland offengelegt. Über drei Jahre Kontaktabbruch, über zwei Jahre Umgangsverfahren, ein Kind, dem von seiner Mutter selbst der Zugang zu seinem Verfahrensbeistand verwehrt wird und ein Amtsgericht Emmendingen (Baden-Württemberg), welches anscheinend nur darauf wartet, das Thema durch Zeitablauf zum 14. Lebensjahr des Kindes zu entscheiden, als am Kindeswohl orientierte Maßnahmen zu ergreifen. Aus der Entscheidung der vereinten Nationen kann man nahezu alle verfehlten Lösungsansätze herauslesen und es wird deutlich, dass hier die staatlichen Behörden einen erheblichen Anteil daran haben, dass der Streit eskaliert. Und obwohl Jugendamt und Verfahrensbeistand wohl auf die Gefahr einer Eltern-Kind-Entfremdung hingewiesen haben, hat das Familiengericht keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, dieser entgegen zu wirken. Es ist kein Einzelfall in Deutschland, sondern leider häufig erlebte Realität.

In unseren Blog-Beiträgen beschäftigen wir uns mit der Frage, ob Fachkräfte machtlos in hochstrittigen Fällen sind, wie ich als Elternteil die Entfremdung von meinem Kind verhindern kann und zeigen den Sinn und Unsinn von Befangenheitsanträgen im Familienrecht auf.

Wir bleiben an den Themen dran und werden auch unsere Inhalte weiter ausbauen, denn Hochstrittigkeit ist lösbar, wenn die richtigen Wege gewählt werden.

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen unseres Newsletters und unserer Blog-Beiträge. Haben Sie weitere Tipps, Hinweise, Anregungen? Wir versuchen gerne, diese mit aufzunehmen, um ein möglichst umfangreichen Überblick über das Thema Hochstrittigkeit geben zu können, denn Hochstrittigkeit ist lösbar.

Viel Spaß beim lesen wünscht Ihnen

Markus Witt
Initiator von hochstrittig.org

Unser heutiger Tipp: Anwälte nicht überlasten

Klar, der eigene Fall ist immer der wichtigste. Wenn man aber seinen Anwalt / seine Anwältin permanent mit allen Themen belastet, kapitulieren Anwälte irgendwann.

Denn sie sind keine Therapeuten, haben auch noch andere Mandanten und müssen allen gerecht werden. Und die Information, dass das Kind bei der Übergabe ein blaues statt des vereinbarten weißen T-Shirts an hatte, ist für Anwälte nicht von juristischer Relevanz.

Daher: überlasten Sie Ihre Anwälte nicht. Lassen Sie ihnen die Chance, ihren Job zu machen. Als Faustregel sollte ein Anwalt im laufenden Verfahren nicht häufiger als alle 14 Tage kontaktiert werden. Eine gewisse "Laufruhe" kann manchmal auch zur Entspannung beitragen.

Wird es für einen Anwalt zu viel, kann es sein, dass sie in der Beschwerdeinstanz ohne Anwalt dastehen. Und dann in einem hochstrittigen Verfahren einen neuen zu finden, ist schwer.

Tipp 2: wenn sich ein Anwalt ganz viel Zeit für Sie nimmt, dann rechnet er vermutlich nach Stunden ab.

(mehr zu dem Thema)

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