Liebe Leser von hochstrittig.org,
auf vielfachen Wunsch werden die Fortbildungen und Praxis-Workshops für Fachkräfte im Dezember noch einmal gehalten. Die Anmeldung ist ab sofort möglich.
Hinzugekommen ist ein Webinar zur häufig gestellten Frage, wie eine Wiedervereinigung nach Eltern-Kind-Entfremdung gelingen kann. Auslöser dafür waren mehrere Fälle, in denen von Fachkräften zwar die Notwendigkeit erkannt wurde, aber niemand wusste, wie es denn praktisch umgesetzt werden könnte. Dabei ist dieses Wissen seit Jahrzehnten vorhanden – in anderen Ländern. Ich habe dazu eine extra Themenseite „Wie Wiedervereinigungsprogramme bei Eltern-Kind-Entfremdung funktionieren“ erstellt. Dort werden solch strukturierte Programme vorstellt und die relevanten Schritte, welche notwendig sind, erläutert. Ergänzt habe ich dies mit positiven wie negativen Beispielen aus den letzten Jahren.
Ich möchten Sie gerne einladen, mit mir ihre Erfahrungen, Bedenken und Fragen zu teilen. Schreiben Sie mit an info@hochstrittig.org, welche fachliche Sicht Sie auf das Thema haben. Es ist für uns in Deutschland noch nicht vertraut, daher braucht es den Austausch, um Hürden und Vorbehalte abzubauen, aber auch berechtigte Bedenken zu berücksichtigen.
Einen ähnlichen, allerdings breiteren Ansatz verfolgt der aktuelle Fachaufsatz von Dr. Marc Serafin unter dem Titel „Professionelles Handeln bei trennungsbedingter Eltern-Kind-Entfremdung“. Sein Fachaufsatz nimmt umfangreichen Bezug auf Forschung und Wissenschaft zu diesem Themenfeld, geht auf praktische Erfahrungen und deren Evaluation ein. Und er setzt sich auch mit der Frage auseinander, inwiefern man dem geäußerten Willen von Kindern folgen sollte oder welche Grenzen und Alternativen es in dieser immer wieder schwierigen Frage gibt.
Deutlich zu erkennen ist, dass Dr. Serafin als ehemaliger Leiter eines Jugendamtes aus der Praxis kommt. Denn sein Fachaufsatz enthält umfangreiche Anregungen für die herausfordernde Arbeit der Fachkräfte vor Ort.
Besonders frustrierend ist es, wenn trotz des engagierten Einsatzes von Fachkräften Kinder mit der Zeit Schaden nehmen und sie zuschauen, bis das Kind kaputt ist. Warum dies so ist, welche Mechanismen dort wirken und wie es anders gehen kann (und muss), damit beschäftigt sich mein aktueller Blog-Beitrag. Auch wenn er nicht jedem gefallen wird, er soll zum Nachdenken anregen, den Blick für neue Wege öffnen und auch die Verantwortung der Fachkräfte betonen, Kinder vor Schaden zu bewahren. Hier nur auf defizitäres Verhalten der Eltern zu verweisen, ist zu kurz gedacht. Denn genau für solche Fälle wurde im Grundgesetz und den nachgeordneten Gesetzen das staatliche Wächteramt statuiert. Es fordert Schutz und Intervention, wenn einer oder beide Eltern dies dem Kind nicht mehr bieten.
Ein positiver Nebeneffekt von engagierten, frühen Interventionen, neben dem Schutz der Kinder, ist, dass es sich herumspricht und einen Präventionseffekt bewirken kann. In Foren, Chats oder „speziellen“ Anwaltskanzleien würde dann zukünftig nicht mehr darüber gesprochen werden, wie man durch maximale Eskalation ein hochstrittiges Verfahren gewinnt. Einfach deshalb, weil ein solches Verhalten durch zielgerichtete und wirksame Intervention zur „Niederlage“ führen würde. Diskussionsstoff wäre dann vor allem, wie man eine kooperative Elternschaft leben und Streit möglichst einvernehmlich, wo immer möglich, beilegen könnte.
Mit Blick auf die Deeskalation von Trennungseltern ist auch das aktuelle Aus der Regierungskoalition positiv zu sehen. Zwar wurden auf mehreren hundert Seiten Vorschläge zur Reformierung des Familienrechts gemacht. Darunter waren auch positive Ansätze wie eine Definition der Faktoren, welches das „Kindeswohl“ darstellen, abgeleitet von der UN-Kinderrechtskonvention.
Es fehlten allerdings jegliche Ansätze zur Deeskalation. Im Gegenteil wäre zu erwarten gewesen, dass die angedachten Reformen, in trauriger Tradition, erneut zu einem deutlichen Anstieg des Streits und der Verfahrenszahlen geführt hätten.
Es besteht also noch eine, wenn auch schwache, Hoffnung, dass die nächste Familienrechtsreform als Gewinner nicht die Profiteure des Streits, sondern erstmals auch Kinder und deren Eltern haben und die Hilfesysteme entlasten könnte.
Zum Abschluss noch ein Hinweis in eigener Sache. Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen, wir haben unser Logo und unseren Auftritt modernisiert. Neues Logo, neuer Claim (Wege aus dem Elternkonflikt) aber weiterhin dieselbe Mission: Streit zu verhindern, passgenaue und wirksame Interventionen zu fördern und Kinder und Eltern zu entlasten und hin zu einer gemeinsamen, kooperativen Elternschaft zu führen. Wo immer dies tatsächlich möglich ist. Und für alle anderen Fälle sollen Lösungen gefunden werden, die die Belastung von Kindern so weit als möglich begrenzen.
In dem Sinne freue ich mich, einige von Ihnen bei den Webinaren und Fortbildungen wiederzutreffen und wünsche Ihnen bis dahin eine schöne Vorweihnachtszeit.
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